Scott Hamilton & Berhard Pichl Trio | 18.10.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Es ist ein schönes Gefühl, nach längerer Abwesenheit wieder nach Hause zu kommen. Man kennt sich aus und muss sich nicht ständig neu orientieren, alles ist an seinem Platz. Man kann sich entspannt zurücklehnen und die vertraute Umgebung genießen. Das mag nicht sonderlich aufregend oder gar spannend sein, dafür aber ist es ungemein wohltuend.

Ähnlich ergeht es einem, wenn man Scott Hamilton an diesem Abend im Birdland Jazzclub in Neuburg sieht und hört. Zusammen mit dem Pianisten Bernhard Pichl, dem Kontrabassisten Rudi Engel und dem Schlagzeuger Michael keul spielt er bekannte oder auch weniger bekannte Stücke aus dem real book, der Bibel des Jazz, Kompositionen von Dizzy Gillespie, Duke Ellington und Billy Strayhorn, beruft sich dabei als Tenorsaxofonist auf Coleman Hawkins, Lester Young und ganz besonders auf Ben Webster und dessen berühmten „warmen“ Ton und lotet die Möglichkeiten aus, die die ausgewählten Klassiker der Jazzliteratur für ihn als altmodischen Tenorsaxofonisten bereithalten. Wobei das Adjektiv „altmodisch“ durchaus als Kompliment gedacht ist, noch dazu, weil Hamilton sich ausdrücklich dazu bekennt. Dese Bezeichnung störe ihn keineswegs, sagte er einst im Interview mit einem Fachmagazin. „Ich war schließlich schon mit 20 altmodisch, jetzt bin ich doch längst jenseits davon.“

Mit dem, was man bei einem seiner Konzerte – auch bei dem im Birdland – von Hamilton hört, wird er also keineswegs die Welt des Jazz revolutionieren. Er spielt bewährten Mainstream der guten, alten Schule und damit im Grunde zeitlose Musik. Darin allerdings ist er einer der allerbesten. Mit untrüglichem Instinkt dringt er zum Kern der von ihm ausgewählten Komposition vor, umspielt ihn auf seine unverkennbare Art, interpretiert, kommentiert. Er legt die Essenz frei, verleugnet dabei aber nie seinen Stil, seine eigene Sicht der Dinge. Hamilton spielt aus dem Bauch, geht selbstbewusst, aber nie selbstherrlich mit den Vorlagen um.

Wie so oft ist das Birdland wieder einmal restlos ausverkauft. Obwohl – oder vielleicht auch weil – die Jazzfans aus nah und fern genau wissen, dass ihnen an diesem Abend kein Neutöner begegnen wird, sondern jemand, der die alten Tugenden schätzt. Es swingt, des groovt, man begrüßt freudig die herrlichen Melodien legendärer Kompositionen und ist ganz verzückt, wenn Hamilton aus ihnen kleine Kunstwerke entwickelt. Es ist, als käme man quasi nach Hause und zur Ruhe. Und es fühlt sich ausnehmend gut an.