Romano – Sclavis – Texier | 02.10.2015

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Dunkel rollen die Basslinien wie ein endloser Strom von Menschen über staubige Wüstenstraßen dahin. Die Klarinette mäandert im Stile eines unheilvollen Nebels durch deren Reihen, während das Schlagzeug im Hintergrund schiebt, drückt und vorwärtsdrängt. Ein Moment wie ein Traum – im metaphorischen wie für Jazzfans durchaus realen Sinn.

Aldo Romano, Louis Sclavis und Henri Texier, die vor gut zwei Jahrzehnten mit drei grandiosen Alben („Carnet de Routes“, „Suite Africane“, „African Flashback“) europäische Jazzgeschichte schrieben, haben sich wieder zusammengetan. Dass sie bei ihrem Comeback auch noch dem Birdland-Jazzclub in Neuburg ihre Aufwartung machten, trieb eine Reihe von audiophilen Gourmets aus allen Himmelsrichtungen an die Donau. Und sie erlebten ein atemberaubendes Aufflackern einer kollektiven Genialität, das damals allein aus dem Grund entstand, um die Afrika-Exkurse des Fotografen Guy Le Querrec an der Schnittstelle von ambitionierter Reportagefotografie und improvisierter Musik zu illustrieren.

Was als assoziativer Kontrapunkt zu visuellen Diskursfäden gedacht war, entfaltet 2015 auch ohne Bilder seine wundersame suggestive Wirkung. Das Trio erzählt Geschichten – allerdings ohne dabei ein einziges Wort zu verlieren. Es mahnt, erinnert und illuminiert. Mal setzt der wuchtige, bohrende Bass Texiers die Musik mit einem schlichten Riff in Bewegung, ohne sich von der Stelle zu rühren. Dann scheint sich Romanos Schlagzeug zunächst träge mit dem hölzernen Korpus zu verknüpfen, bevor es mit lässigen Akzenten die Lücken füllt und ganz langsam die Intensität erhöht. Sclavis platziert schließlich auf der Klarinette eine zarte Melodielinie, die mit fast flötenartigem Hauch beginnt, um sich nach einigen Pirouetten durch die Harmonien in fröhlich sprudelnde Arpeggios und wilde Triller aufzulösen.

Diese Musik verfügt auch heute noch über eine faszinierende hypnotische Wirkung, gerade weil sie einfach und subtil, ausgelassen und vital, afrikanisch durchdrungen in ihrem Beharren auf die rhythmischen Figuren ist. Dennoch bleiben der in Paris lebende Italiener Romano sowie die Franzosen Sclavis und Texier auf spürbarer Distanz zum Schwarzen Kontinent.

Sie verzichten auf die direkte Anlehnung an afrikanische Musikformen und behandeln deren Einflüsterungen nicht anders als die assoziativ verknüpften Erinnerungsreste anderer folkloristischer Kulturen. Stattdessen binden sie sich an die Errungenschaften ihrer eigenen musikalischen Vita: die Freiheit des Jazz jenseits aller Imperative. Großes Ohrenkino, bei dem leider viel zu früh wieder das Licht angeht. Was möglicherweise auch am vorgerückten Alter der Hauptdarsteller liegt.