Ein kraftvoll dunkles Timbre der Klarinette, grollend dumpfe Akkorde vom Klavier, die Stimmung ist zunächst getragen von düsteren, romantischen, mystischen Klängen. Bald schon heben sich diese in Improvisationen von mal schillernder, mal schier splitternder Faszination.
No Limits! Die Brüder Rolf und Joachim Kühn, jeder für sich ein wichtiger Repräsentant der gesamtdeutschen Jazzgeschichte, immer wieder, aber doch nicht allzu oft gemeinsam zu hören trotz über 50jähriger gemeinsamer Jazz- und 70jährig verbundener Lebensgeschichte, waren im Birdland Jazzclub in Neuburg zu erleben mit einer Musik jenseits aller Schubladen. Kaum zu kategorisieren ist dieser Jazz, trotz aller Verschiedenheit der Brüder in gemeinsamer Identität und unmittelbar zupackender Gegenwärtigkeit.
Wenn vom deutschen Jazz die Rede ist, darf der Name Kühn nicht fehlen. Beide, der heute 85jährige Rolf und der 70jährige Joachim haben ihren je eigenen Beitrag zur gesamtdeutschen Geschichte geleistet, beide eine weit über Europa hinausreichende Bedeutung, jeder für sich und immer wieder auch miteinander: Rolf, Jahrgang 1929, der nach dem Studium der klassischen Klarinette die Freiheit des Jazz suchte, der noch bei Benny Goodman spielte und später den Weg des Freien Jazz ebnen half, Joachim, Jahrgang ´44, der sich nach ebenfalls klassischer Ausbildung fast von vorn herein dem Free Jazz als Protestmusik verschrieben hat.
Durchaus sperrig ist, was die beiden im Birdland spielen, kaum sind die Themen erahnt, verflüchtigen sie sich schon im broken circle des kreativen Dialogs. Immer wieder tritt der Eine oder Andere zurück zugunsten eines dem Bruder überlassenen Solos. Den größeren Zeitanteil dabei hat Joachim, im Birdland schon mehrfach präsent.
Unter seinen Händen fängt das Klavier förmlich an zu leben. Selten entlockt ein Musiker dem durch die Reihe Art of Piano ja überaus verwöhnten Bösendorfer des Birdland eine derartige orchestrale Energie. Konzerte mit Joachim Kühn setzen immer noch ein Stück mehr frei. Sein in gefühlten elf Millionen Noten so differenzierter wie entschiedener, bisweilen fast brachialer Anschlag kann die Farben leuchten lassen, Pastell auflegen eher selten , schimmernde Paläste errichten und einreißen in einem Spiel von mitreißend strudelndem Ideenfluss. Die Fülle des Klavierspiels kennt keine Grenzen, ist getragen von profunder Kenntnis der Musikgeschichte von Johann Sebastian Bach bis zu Ornette Coleman, den beiden Fixsternen, zwischen denen Joachim Kühn den Bogen spannt in seinem ganz eigenen Universum.
Rolf Kühns Klarinette ist von zeitloser Schönheit. In klanglicher Sorgfalt offenbart sich die große Liebe zu seinem Instrument, das ihn nun schon seit über siebzig Jahren begleitet. In allen Registern ist die Klarinette souverän und von sonorer Fülle, warm und geschliffen in fingerflinker Intelligenz, mal rund, mal mit Ecken und Kanten, Spitz auf Knopf.
Das nahtlose Miteinander der Brüder kommt ohne große Worte aus, sie achten einander und aufeinander, spielen miteinander grandiose Musik. Ein ganz besonderes Konzert zum Auftakt des vierten Birdland Radio Festival!