Ray Anderson – Marty Ehrlich Quartet | 19.10.2012

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Proppenvoll war das Birdland. Das wollten sich die Fans nun wirklich nicht entgehen lassen, Schließlich stand eine der originellsten Formationen auf der Bühne, die derzeit im Jazz zu erleben ist. Das Ray Anderson – Marty Ehrlich Quartet bot zur Eröffnung des 2. Birdland Radio Jazz Festival quicklebendige, spritzige, witzige, intelligente und unglaublich unterhaltsame Musik, die ihre Füße fest auf dem Boden der Tradition hat, aus New Orleans und Chicago ihre Inspiration bezieht, zugleich unmittelbar daheim ist in der New Yorker Downtown Szene unserer Tage.

Kaum einer Band dürfte die Integration von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Jazz so exorbitant spielfreudig und unverkopft gelingen wie diesem Vierer. „On solid Ground“ stehen sie dabei, haben jeder für sich und miteinander bis zum letzten rostigen Hauch inhaliert, was die Jazzgeschichte zu bieten hat, gehen alle Wege, Pfade und Nebenstraßen abseits des Mainstream ab, landen immer wieder an wunderlichen Orten, verweilen, spielen, brechen wieder auf. Immer weiter geht’s und das Quartet zeigt, wie intensiv Phantasie und Kreativität Hörgewohnheiten wecken, reizen, aufbrechen, erweitern und bereichern können.

Ray Anderson, der jüngst dem Krebs und dessen düsterem Gevatter Paroli geboten hat, von schwerer Krankheit genesen, spielt die wahrscheinlich kompletteste Posaune des Jazz, explosiv, schöpferisch, technisch unerreicht und virtuos, unvergleichlich in puncto Energie, Spielwitz und Humor. Marty Ehrlich steht an Virtuosität nicht nach, spielt das Altsaxophon mit trockener Ironie und lakonischem Witz, lässt die Klarinette schreien, tirilieren, klagen, erzählt musikalische Geschichten von seltener Eindringlichkeit, während Brad Jones am Bass und Matt Wilson am Schlagzeug eines der frappantesten Rhythmusgespanne bietet, die der Keller unter der Hoapothke je gesehen hat. Von solchem „Sugar Water“ mehr!