Quadro Nuevo | 22.02.2024

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Musiker verkaufen Träume, von einer besseren, einer gerechteren, einer friedlicheren Welt. Jeder Tonträger, jedes Konzert ist ein gezielter Entführungsversuch aus der unfreundlichen Realität. Alle Sorgen vergessen, abschalten, Kraft und Zuversicht tanken: Gemessen an diesen Kriterien sind Quadro Nuevo derzeit die mit Abstand Besten eines Genres, das zwar oberflächlich noch dem Jazz zugeordnet werden kann, aber längst dessen Grenzen in Richtung Weltmusik, Klassik, Volkslieder und Schlager erweitert hat.

Wenn Mulo Francel, Andreas Hinterseher, D. D. Lowka und Chris Gall nun zum ersten Mal ins Ingolstädter Audi-Form bitten, dann verspricht dies mehr als nur ein „normales“ Konzert zu werden. Es ist ein gesellschaftliches Ereignis, ein Muss für alle Ü 40-Fans, die nach leichter, aber durchaus anspruchsvoller Unterhaltung Ausschau halten. Immer wieder musste Birdland-Chef Manfred Rehm, der das Gastspiel der vier Münchner organisiert hat, in den vergangenen Tagen achselzuckend die schier endlose Nachfrage nach Karten quittieren, denn der Abend mit den „Quadros“ am Geburtsort des Audi Quattro war schon lange zuvor restlos ausverkauft.

Woher kommt die schier unfassbare Popularität der Combo, die mittlerweile zu den fleißigsten und längst auch erfolgreichsten im gesamten Bundesgebiet zählt? Quadro Nuevo überlassen nichts mehr dem Zufall, sind längst eine Marke geworden, ein knallbunter Mix aus Gute-Laune-Harmonien, tanzbaren Rhythmen und Urlaubsgefühlen in Noten, in jeder Phase den richtigen Ton treffend, durchaus mit dem gebotenen Tiefgang, aber niemals übermannt von quälendem intellektuellen Bildungsballast. Und ja, auch das muss gesagt werden: Mittlerweile wirken sie wie ein sympathisches, supernettes Wirtschaftsunternehmen, das sich geschickt zu verkaufen weiß, orangefarbene Vinylscheiben, zig CDs, elegante Liköre oder maskulinen Gin und sogar ein Kinderprogramm im Audi Forum in der Pause und am Schluss feilbietet. Seit Januar sind sie vier überdies sogar Besitzer ihrer eigenen Plattenfirma GLM, eines etablierten Labels, das sie einst als junge, unbekannte Künstler entdeckte.

Wer Haare in der Suppe finden möchte, dem böte sich in Ingolstadt wahrlich eine reiche Auswahl. Aber vielleicht liegt das Geheimnis des geschmeidigen Tenorsaxofonisten und Bass-Klarinettisten Francel, des melodische Schleifen bindenden Akkordeonisten Hinterseher, des mit allen Rhythmen vertrauten Bassisten Lowka und des fein perlenden Pianisten Gall in ihrer tiefen Liebe zur Musik. Oberflächlich mögen sie ihre Zuhörer pausenlos in den Urlaub locken, auf den Spuren uralter Mythen durch die Äolen, hüftkreisend zu pulsierendem Samba, quirligem Chorinho und feurigem Bossa Nova. Sie lassen sie teilhaben an einer Segeltörn auf den Spuren von Odysseus („And Pull“), überraschen dabei mit spannenden Bläserintermezzi, bei denen Andreas Hinterseher zur gedämpfen Trompete greift. Sie kredenzen eine Hymne auf das Warten für dessen Gattin „Penelope“, vergnügen sich lustvoll an Mozarts „Bona Nox, bist a rechta Ox“ und verkaufen summa summarum virtuos Illusionen, die in unfreundlichen Zeiten wie diesen mehr denn je reißenden Absatz finden.

Aber je länger das Konzert dauert, je mehr man sich von hochtrabenden Erwartungshaltungen verabschiedet, umso mehr gewinnt die enorme Professionalität und Leidenschaft von Quadro Nuevo die Oberhand. Auch in Ingolstadt reißen sie nicht bloß irgendeinen Job herunter. Hier stehen tatsächlich vier Erzmusikanten auf der Bühne, die ihren Beruf und die Musik, die sich aus vielen persönlichen Erfahrungen und Reisen, aber auch einem guten Instinkt für die Bedürfnisse der Menschen nährt, lieben. Jeder im Audi Forum spürt das und kennt in diesem Moment auch den wahren Grund für ihren außergewöhnlichen Erfolg.