Pure Desmond | 29.03.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Da liebt ein Jazzmusiker eine Filmdiva und schreibt sogar einen wunderschönen Jazztitel eigens nur für sie, wagt aber nie, sie anzusprechen. Umgekehrt möchte jene unbedingt den Komponisten kennenlernen, was diesem wiederum verborgen bleibt. Manche Love Story endet, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Die Geschichte spielt Mitte der Fünfziger Jahre, die Schauspielerin ist Audrey Hepburn und der Mann, der „Audrey“ für sie geschrieben hat, ist Paul Desmond, Altsaxofonist in Diensten von Dave Brubeck, für den er ein paar Jahre vorher den Klassiker „Take Five“ komponiert hat. Wie sich die Sache entwickelt hätte, wären die Sterne damals für die beiden Protagonisten günstiger gestanden, weiß keiner. Man kann nur spekulieren. – Und genau das tun „Pure Desmond“ im Birdland Jazzclub in Neuburg. Lorenz Hargassner am Altsaxofon, Johann Weiß an der Gitarre, Christian Flohr am Kontrabass und Sebastian Deufel am Schlagzeug spielen Desmond-Kompositionen und erzählen mit deren Hilfe und ein paar zusätzlichen flankierenden Stücken die Geschichte weiter, fantasieren sich die Story zurecht, verzaubern ihr Publikum, entführen es an den Broadway, wo gar nicht weit voneinander Desmond auf einer Konzert- und die Hepburn auf einer Musicalbühne stehen und doch nicht zusammenkommen.

Die Musiker des Quartetts sind absolute Desmond-Fans, das ist offensichtlich. Sie haben den Sound dieses großen Cool Jazz-Saxofonisten, dessen Komposition- und Spielweise absolut verinnerlicht, wollen aber nicht imitieren, sondern interpretieren, die Frage aufwerfen: Wie würde Desmond heute klingen? Und die Antwort: Er würde nach wie vor unverkennbar sein und cool, aber warum nicht auch ein klein wenig funky, ein klein wenig poppig. Bei „Pure Desmond“ darf er das. Manchmal schnuppert die Band sogar am Rock und am Acid-Jazz. Wenn‘s der Werbung um die Angebetete nützt, sind der Phantasie schließlich keine Grenzen gesetzt. Und weil die Drei Minuten-Single schon immer ein viel erfolgversprechenderes Mittel war, jemanden herumzukriegen, als ellenlange Soli, fassen sich „Pure Desmond“ auch zweitlich ziemlich kurz und packen immerhin 19 Stücke in ein 90-minütges Konzert.

Das Konzept, mit Jazznummern eine Liebesgeschichte zu erzählen, ist bestimmt nicht alltäglich, kommt aber bestens an. Zwei Zugaben legen davon Zeugnis ab. Das liegt an diesen wunderschönen Kompositionen, ganz klar, aber auch an der Hingabe, mit der die Band sie präsentiert. „Take Five“, der Klassiker überhaupt aus der Feder Desmonds, ist nicht Teil des Programms. Für das Publikum wäre diese Nummer in der Zugabe natürlich das absolute Happy End gewesen. Aber ein solches war ja auch Audrey Hepburn und Paul Desmond nicht vergönnt. Bei aller Liebe: Manchmal muss man anscheinend sogar in Herzensangelegenheiten einfach konsequent bleiben.