Philip Catherine – Martin Wind Duo | 14.10.2017

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

„Kammermusikalisch“ wäre wahrscheinlich wieder so eine handelsübliche Schublade für das Gebotene, aber für ein herausragendes Duo wie das mit dem belgischen Gitarristen Philip Catherine und dem deutschen Bassisten Martin Wind viel zu kurz gedacht. Denn was im gut gefüllten Neuburger Birdland-Jazzclub meist leise und im Zehenspitzengang am Rande der Hörbarkeit daherkommt, das ist weit mehr als bloß ein leises Konzert.

Catherine, diese europäische Jazzlegende, die schon seit ihrem 17. Lebensjahr professionell und kunstvoll den Gitarrenkorpus bearbeitet und mit Chet Baker sowie Dexter Gordon Alben für die Ewigkeit einspielte, und der jüngere Wind, der vielleicht begehrteste deutsche Jazzmusiker in den USA und auch als Dozent bei der Neuburger Sommerakademie bestens bekannt, leisten sich das Vergnügen eines hochvirtuosen, facettenreichen Saiten-Intermezzos.

Der 74-jährige Catherine hat dabei den Schalk im Nacken und erzählt sowohl verbal wie auch musikalisch Geschichten, selbst erlebte Episoden, die im Laufe eines kurzweiligen Abends zu einem spannenden Roman auflaufen. Er kann wunderbar glaubhaft vom zarten, fast angehauchten, minimalistischen Lauf in eine fast elektrisch anmutende Akkordkaskade im Bluesschema wechseln, und es klingt immer warm, nahbar, vertraut. So, als würde ein alter Freund die Hand auf deine Schulter legen und dir gerade in diesen dunkler werdenden Herbsttagen Mut zusprechen: „Kopf hoch!“

Catherine lässt Töne verhallen, zieht die Saiten und weiß sehr genau, dass zum Klangfarbenkasten eines vielschichtigen Instrumentalisten auch Grau und Schwarz dazugehören. Er und Martin Wind nehmen sich Liebgewonnenes aus ihrem persönlichen Songbook wie den Irving Berlin-Standard „How Deep Is The Ocean“ von 1932, Cole Porters „So In Love“ oder die Hommage an George Shearing „Hello George“ im Fifties-Style bis zur melancholischen Fingerpicking-Adaption des Paul-McCartney-Spätwerks „Jenny Wren“ vor. Dabei erweist sich einmal mehr: Beide verstehen sich als Ästheten und ergänzen sich deshalb auch nahezu perfekt. Auf der einen Seite das schon technisch unverwechselbare, immer neue lyrische Gitarrensounds erfindende Spiel Catherines und auf der anderen der gestrichen wie gezupft stets sonore und zugleich anmutig weiche Bass von Martin Wind.

Die gemeinsame Basis bildet melodiöser Jazz, der seine Wurzeln im Swing sucht, aber deshalb nie oberflächliche, beliebige oder populäre Züge trägt. Hier umkreisen zehn Saiten (sechs bei der Gitarre, vier beim Kontrabass) das Herz der Stücke, fixieren deren Puls, setzen Ton für Ton mit sanftem Gefühl und sicherem Gespür für das absolut Notwendige. Wo andere einen Filzstift benutzen, um dicke Melodienlinien in ihren Vortrag einzufügen, malen sie mit einem feinen Pinsel haarkleine, filigrane, schwerelose Notenfolgen in die Luft. Die innere Harmonie des Duos resultiert aus der Fähigkeit jedes einzelnen, die Gedanken des Partners bereits im Entstehen zu erahnen, sorgsam aufzugreifen und liebevoll zu vollenden.

Zum Hochgenuss am Ende eines Feinschmecker-Abends gerät das rotzig dahin galoppierende „Blues In The Closet“ von Oscar Pettiford, in dem Philip Catherine und Martin Wind, einem Tandem gleich, im blinden Einvernehmen einfach mal drauflossprinten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie das Ganze wohl ausgehen mag. Für die Wegstrecke haben sie sich ihre allerbesten, ihre spektakulärsten Soli aufgehoben. Musik in dieser reinen, ohne Effekthascherei zelebrierten Form überdauert jeden Zeitgeist und hinterlässt nachhaltige Spuren im Langzeitgedächtnis des begeisterten Publikums im Hofapothekenkeller.