Samba, Bossa Nova, Rumba und Baião ausgerechnet am Faschingswochende in einem ausverkauften Club? Das riecht doch geradezu nach „Karneval in Rio“, einem der wichtigsten Exportschlager Brasiliens, der – obwohl er oftmals nichts anderes ist als die lateinamerikanische Variante des Ballermann – auch hierzulande viele Anhänger hat.
Der Geruch freilich ist irreführend, denn das Sambop Trio um den Gitarristen Paulo Morello, das an diesem Abend im Birdland Jazzclub in Neuburg zu Gast ist, hat mit dem ebenso lautstarken wie längst sinnentleerten Touristen-Nepp jenseits des Atlantik gar nichts zu tun. Dort geht es um Krach, Kommerz und Voyeurismus, hier um Eleganz, künstlerische Klasse und die spürbare Liebe dreier Musiker zu ihrem Genre und um echten Spaß an der Sache, nicht um aufgesetzten, von Caipirinha befeuerten und ohne ihn kaum auszuhaltenden Frohsinn. Wobei bereits der Name „Sambop“ schon alles sagt. Wenn Samba und Bebop sich treffen und sich unter fachkundiger Führung eines der besten europäischen Brazil-Gitarristen (Paulo Morello), eines wunderbar entspannten Kontrabassisten (Sven Faller) und eines federnd groovenden und mit allen Wassern gewaschenen Drummers und Perkussionisten (Mauro Martins) daraus eine ganz eigene Interpretationsweise entwickelt, dann sind in diesem Falle Stan Getz und Egberto Gismonti quasi mit im Raum, in dem oberflächliches Gebalze dann logischerweise keinen Platz hat und folglich ausgesperrt bleibt.
Apart und stilvoll, unaufdringlich und gleichzeitig sehr eindringlich präsentiert die Band Duke Ellington’s „I’m Just A Lucky So-And-So“, „When Sunny Gets Blue“ und Attila Zoller’s „The Birds And The Bees“ und stellt mit „7:1“ Morello’s kompositorische Reaktion auf das legendäre WM-Halbfinale zwischen Brasilien und Deutschland von 2014 vor. Was Martins, gebürtig in Curitiba, mit einem breiten Grinsen und dem wunderschönen, seiner Mutter gewidmeten, „Donna Orlandina“, quittiert. Es ist nicht nur ein Konzert dreier Ausnahmemusiker, sondern auch eines dreier hervorragender Komponisten. Sven Fallers im Andenken an seine Großeltern entstandene „Laqueur“ ist mit seiner sanften Schönheit der ideale Gegenpart zu Morello’s rasantem „Samborello“ und dem brandneuen „Moving“ am Ende des regulären Programms, mit dem das Trio sogar einen Schritt in Richtung Fusion-Blues wagt.
Und weil die Band darauf verzichtet, ihrem Publikum die Latin-Grooves, auf die es bei Musik dieser Art ja immer ankommt, einzuprügeln oder überzustülpen, sondern darauf setzt, sie ihm statt dessen mit dünner Nadel unter die Haut zu injizieren – eine Vorgehensweise, die ja in vielerlei Hinsicht viel wirkungsvoller ist – , beginnen die letzten Stücke des Konzerts ein Eigenleben zu entwickeln, wie von selbst zu schweben. Momente wie diese kann man nicht planen, nicht vorhersehen. Man kann sie sich als Musiker und als Teil des Publikums nur wünschen, mehr nicht. Sie entstehen selten und nur dann, wenn alles in sich stimmig ist. Beim Konzert von Paul Morello und seinem Sambop-Trio scheint an diesem Abend gerade zum Finale hin genau das der Fall gewesen zu sein. – Was für ein toller Abend mit zum Glück ganz viel Brasilien, aber gottlob völlig ohne Karneval.