Night Of Jazz Guitars feat. Larry Coryell | 17.09.2011

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Gitarristen haben etwas von Akrobaten. Wo immer sie auftreten, saugen gierige Augenpaare von angehenden Zauberlehrlingen jeden ihrer Griffe auf. Wenn sich gleich vier dieser Teufelskerle zusammentun, dann riecht das schon ziemlich nach Zirkus.

Doch die drei Bayern Helmut Kagerer, Paulo Morello und Andreas Dombert sowie ihr amerikanischer Stargast Larry Coryell widerstehen bei ihrem Projekt „Night Of Jazz Guitars“, das sie zum Auftakt der Herbstsaison in den ausverkauften Neuburger „Birdland“-Jazzclub führt, mannhaft jeder Verlockung, sich als so etwas wie „The Fingerpicking Houdinis“ zu produzieren. Dabei haftet ausgerechnet Coryell seit seinem Harakiri-Trio mit John McLaughlin und Paco De Lucia 1979 der zweifelhafte Ruf des Formel-Eins-Gitarreros mit einkalkuliertem Leerlauf an. Ironie des Schicksals, vielleicht auch ein Resultat der Erfahrung: Im Verbund mit seinen jungen deutschen Kollegen schlüpft der heute 68-Jährige eher in die Rolle des Entschleunigers und Stabilitätsgaranten.

Coryell will nur Gleicher unter Gleichen sein und genießt die demokratische Struktur in vollen Zügen. Da sitzt ein fingerfertiger, graumelierter Gentleman und ist sich selbst für schnöde Rhythmusarbeit nicht zu schade. Aus seiner „Parker Acoustic“ lässt er freilich auch feine, lyrische Notenfolgen rieseln. Ein bisschen Segovia, ein wenig Joe Pass, bis er innerhalb von zwei Takten zum extrovertierten Rock-Hippie mit farbenreichen Akkordfolgen mutiert – ohne Strom versteht sich.

Vier Individualisten, ein Gedanke. Neben dem charmanten Draufgänger Coryell sitzen der erdige, klassisch geschulte Andreas Dombert mit seiner „Gibson Johnny Smith“, der beschwingte, federleicht tänzelnde Teilzeit-Brasilianer Paulo Morello (der eigentlich Neli Schmidkunz heißt) sowie der filigran konstruierende Helmut Kagerer, beide mit einer „Gibson L 5“. Ihnen geht es weniger um die Pflege des eigenen Egos, als um eine perfekte Ornamentierung des Gruppensounds. Jeder darf zeigen, was er drauf hat; höchst abwechslungsreich und hin wieder auch ein bisschen mit Kunststückchen protzend wie im hinreißenden Finale „Cookin’ At The Continental“. Aber keiner wirkt, als ob er müsste. Das Solo fungiert hier vor allem als Klammer für das Kollektiv.

So können sich zauberhafte Songperlen wie „Summer In The Night“, ein Duett von Morello und Kagerer, oder das flirrende „Noites Cariocas“, in dem das Flair der kleinen Bars in Rio atmet, ungehemmt entblättern. Im Laufe der „Night Of Jazz Guitars“ entsteht ein homogenes, temperamentvolles, inspiriertes, aber nie aus dem Ruder laufendes Roadmovie auf 24 Saiten. Das ist die eigentliche Stärke dieser munteren Gitarrenrunde: Vier exzellente, konträre Instrumentalisten verschmelzen zu einem vibrierenden, kreativen Kraftwerk. Großes Hörkino!