Matthias Well & Lilian Akopova „Jazzissimo“ | 09.03.2024

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Ihr neuestes Projekt nennen der Geigenvirtuose Matthias Well und die preisgekrönte Pianistin Lilian Akopova „Jazzissimo“. Ein Superlativ, der ein wenig in die Irre führen kann – denn dieses Duo bietet nicht etwa Jazzstandards in Vollendung oder die jazz-typische Improvisationslust. Einer der jüngsten Ableger der großen Well-Familie und seine ukrainische Partnerin am Flügel erobern ihr Publikum mit virtuosen Werken der klassischen Moderne.

Maurice Ravel, Jules Massenet, George Gershwin, Astor Piazzolla und Alexander Rosenblatt heißen die Komponisten. Die Art, wie Matthias Well – ein Teufelsgeiger mit spitzbübischem Charme – und die ebenso feinfühlige wie feurige Pianistin Lilian Apokova diese Stücke im wahrsten Sinn des Wortes in beide Hände nehmen, hat einige Superlative verdient. Der Projektnahme „Jazzissimo“ lässt sich auffächern in eine ganze Reihe weiterer Prädikate.

Die beiden Teufelskerle auf der Birdland-Bühne sind Zauberer des Pianissimo, im sphärischen Flagiolett der Geige etwa bei Piazzollas „Geschichte des Tango“ oder in den wunderbar hingehauchten Klavierklängen eines Alexander Rosenblatt. Und Well wie Akopova stürzen sich mit Verve und technischer Perfektion ins Fortissimo – ein Fortissimo mit unbändiger Kraft, aber nie zu wuchtig. Nicht besonders laut, sondern besonders eindringlich.

Die Tempobezeichnung Prestissimo kommt (für alle begabte musikalische Laien: Gott sei Dank!) in der Klassik, Romantik und der Moderne nicht sehr häufig vor. Matthias Well mit seiner stupenden Virtuosität, die selbst das Allerschwerste noch ganz leicht erscheinen lässt, und die Pianistin Lilian Akopova in den verwegensten Akkordkaskaden von Gershwin und Rosenblatt reißen das Publikum immer wieder zu Begeisterungsstürmen fort.

So wunderbar klingt ein Prestissimo, wenn zwei Musiker am Werke sind, die souverän über jeder Tempobezeichnung stehen. Auf den Gesichtern der beiden ist auch an fast unspielbaren Stellen noch ein Lächeln zu sehen, wo man eher eine Mimik der höchsten Konzentration erwarten würde.

Der Begriff „Rhythmissimo“ ist vielleicht in keinem Handbuch der Musik zu finden, aber für dieses Duo würde er passen. Beim Lousiana-Blues oder bei Rosenblatts großer „Phantasie“ mit Ausflügen in viele Genres von der U-Musik über Pop und Rock bis zur strengen klassischen Form geben Well und Apokova dem Ganzen mit kleinen, kaum bemerkbaren Rhythmus-Motiven bombenfesten Halt. Das wirkt fast, als wäre ein Schlagzeug mit im Spiel.

Solche perkussive Raffinesse , etwa durch knackige Pizzicato-Einlagen der Geige, trägt die wilden melodischen Eskapaden und die rasanten Läufe. Gelegentlich wählt Lilian Akopova einen reichlich kraftvollen Anschlag – aber diese ungewohnte Härte auf dem eher lyrisch temperierten Bösendorfer-Flügel hat hier ihre Berechtigung.

Nach der letzten Zugabe mit rasantesten ungarischen Klängen war das Bravissimo der Zuhörerfällig. Wenn schon ein Abend der Superlative, dann von beiden Seiten der Birdland-Bühne.