Marta Sanchez Quintet | 15.11.2019

Neuburger Rundschau | Ssirus W. Pakzad
 

Vor acht Jahren ist die aus Madrid stammende Marta Sánchez da hin gezogen, wo fast alle Jazzmusiker hin wollen – ins Mekka des Jazz, nach New York. Schnell sprach sich im Big Apple herum, dass die zierliche Spanierin nicht nur eine Pianistin mit ganz eigenen Ansätzen ist, sondern auch über ein beachtliches Schreib-Talent verfügt. Deshalb hat sie nie Mühe, in der Wahlheimat namhafte Solisten für ihre eigenen Bands zu rekrutieren. Marta Sánchez trat jetzt mit ihrem grandios besetzten Quintett im Rahmen des „9. Birdland Radio Jazz Festivals“ im Neuburger Birdland auf und begeisterte alle, die gekommen waren, um diese hierzulande noch völlig unbekannte Frau für sich zu entdecken.

Schnell wird bei ihrem Konzert klar, wie reizvoll Sánchez mit Kontrasten zu spielen weiß, mit Gegensätzen, die sich magisch anziehen. In den Kompositionen ihres am kommenden Freitag bei „Fresh Sound New Talent“ erscheinenden Albums „El Rayo de Luz“ (übersetzt: der Lichtstrahl) gehen Pastellfarben in kräftig leuchtenden Expressionismus über, münden festgelegte, komplexe Strukturen in offene Passagen, in denen sich die Musiker frei bewegen können, treffen Einflüsse aus der spanischen Volksmusik auf zeitgenössische Jazzästhetik.

Als Solistin übt sich Marta Sánchez in vornehmer Zurückhaltung – die unüberhörbar klassisch ausgebildete Pianistin setzt in ihren alle Jazz-Phrasen auslassenden Improvisationen sanfte Akzente, spielt mit sachtem Anschlag filigrane Figuren und schimmernde Läufe. Das Powerplay überlässt sie den Männern ihres Quintetts: dem um keine Schlagvariante verlegenen galizischen Drummer Iago Fernández, seinem pointiert zupfenden Rhythmuspartner, dem kanadischen Bassisten Zack Loeber und vor allem den beiden Bläsern: dem Kubaner Roman Filiu (Altsaxofon) und dem Slowenen Jure Pukl (Tenorsaxofon). Für diese zwei hat sich Marta Sánchez eine ganz eigenwillige Stimmführung ausgedacht: der Karibe und der Europäer umkreisen sich lauernd, umtänzeln, umschlingen sich innig in ihren Linien und lösen sich dann voneinander, um ihre individuellen Stärken voll auszuspielen.

Roman Filiu, der schon bei Henry Threadgill, bei David Murray oder in eigenen Projekten eine glänzende Figur machte, umkurvt alle Klischees, durchmisst in schwungvollen Bewegungen die Lagen seines Instruments, vom lichten Register bis in tiefste Regionen. Sein Widerpart Jure Pukl, der sonst etwa bei E.J. Strickland oder als Bandleader zu hören ist, steht seinem Kollegen in nichts nach, zeigt sich ebenso als eigenwilliger Gestalter, als hoch emotionaler, umwerfend ausdrucksstarker Improvisator.

Wenn es denn etwas auszusetzen gab an dem Konzert des Marta Sánchez Quintetts, dann, dass es etwas doch arg kurz war. Der erste Set dauerte gerade mal 38 Minuten. Der zweite war auch nicht wesentlich länger. Da die Musik der Spanierin süchtig machen kann, setzten schon kurz nach der Zugabe erste Entzugserscheinungen ein.