Mario Pavone’s Deez Group | 21.04.2007

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Was für ein Quintett! Mario Pavone’s Deez Group ließ das Jazzherz höher schlagen im Neuburger Birdland. Haken und Ösen, Kniffe und Tücken, dabei Fluss und Groove: Kompositionen von höchster Komplexität, rhythmisch, harmonisch, melodisch ausgeklügelt und Startbahn für schier stratosphärische Soli. Der Herzschlag des modernen Jazz hat sich nicht verlangsamt, er ist jedoch geläutert aus den wilden Jahren des New Thing hervorgegangen.

Mario Pavone gehört zum Urgestein der kreativen Moderne im Jazz. Der Mann, der während John Coltranes Begräbnisfeier spontan und heißen Herzens beschloss, eine bürgerliche Existenz in Connecticut samt wohlbestalltem Auskommen im Ingenieursjob dem Abenteuer der improvisierten Musik zu opfern, hat nichts von der Glut jener Jahre eingebüßt. Mit einer handverlesenen Band präsentierte er zu seinem 40. musikalischen Geburtstag kraftvolle energiegeladene Musik, in der Freiheit und Bindung zu selten so gehörtem Einklang finden.

Pavone spielt den Bass, ganz zu schweigen von der solistischen Brillanz, mit Vehemenz, Druck und Groove. Häufige Doppelgriffe und Akkorde setzen entschlossene Akzente, voluminöse wuchtige Blöcke geben Stabilität und Struktur, verleihen dem Geschehen Schub wie ein ganzes Kraftwerk. Michael Sarin prononciert am Schlagzeug mal mit kantig trockenen Shots und donnernden Rolls über’s Set, mal mit weich schattierenden Besen oder den Beat umspielenden Impulsen, zurückhaltender Dienlichkeit oder heftiger Power je am rechten Platz. Steve Bernstein sorgt an der Ventil- wie an der selten zu sehenden Zugtrompete in souveräner Virtuosität für expressive Exkurse ins Reich der Zwischentöne. Charles Burnham wirkt an der E-Geige Gas wie ein irrlichternder Derwisch. Im gläsernen Pizzicato wie im heißen Ritt übers Griffbrett entfalten sich Sounds zwischen Country-Fiddle und Hendrix zu spannendem Wirbel. Peter Madsen schließlich hat einen fast unglaublich perfekten Tag erwischt, geht am Flügel in die Vollen mit komplexen Akkorden und rasanten Läufen, spritzig, feuertrunken, risikobereit, ohne Netz und doppelten Boden, glänzend auch im Trio mit Pavone und Sarin.
Da werden zwischen Bebop, Free und dem Sound des 21. Jahrhunderts spannende Geschichten erzählt von Freude und Leid, Liebe und Hass, Krieg und Frieden, Freiheit und Unterdrückung, Geschichten, wie sie das Leben bereithält in aller Unberechenbarkeit des Schicksals. Das Alles in der unvergleichlichen Atmosphäre des Neuburger Birdland Jazzclubs, dessen Magie mal wieder wirkt: Die Zuhörer gehen mit, der Funke springt hin und her von der Bühne ins Publikum und zurück in einer Sternstunde, wie sie auch im Mekka des Jazz nicht allzu häufig zu erleben ist.