Maria Baptist – Jan von Klewitz | 02.10.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Am 29. September 2017 geht spät abends, kurz vor Mitternacht, ein heftiges Gewitter über Neuburg nie­der. Maria Baptist und ihre Band sind zu Fuß auf dem Weg ins nahe Hotel und werden nass bis auf die Haut. Das ist der Auslöser für die wunderschöne Kompo­sition „Midnight Rain“, die noch in sel­biger Nacht entsteht und die die Pianistin und Komponistin nunmehr bei ihrem Konzert im Birdland Jazzclub präsen­tiert. Manchmal kehrt Musik tatsächlich an den Ort ihres Entstehens zurück.

Diesmal hat Baptist zwar keine Band dabei, dafür aber ihr brandneues Album „Facing Duality“ – worauf auch „Mid­night Rain“ zu finden ist – und als Part­ner den Altsaxofonisten Jan von Klewitz. Baptist ist zu haben als Leiterin einer Big Band, mit Trio oder Quartett, beson­ders interessant freilich ist das Duo-For­mat, weil hier am deutlichsten wird, dass ihre Kompositionen, die in einem Fort zwischen Mainstream und Modern Jazz hin und her pendeln, auch in reduzierter Form ihre volle Kraft entfalten und ihre Wirkung aufs Publikum nicht verfehlen. Zwei Zugaben und trotz der wegen Co­rona gelichteten Reihen heftiger Applaus legen davon Zeugnis ab. Man könnte sich Stücke wie „Minotaurus“ oder „Na­tural Landscapes“ sogar im Sound einer elektrisch verstärkten Fusionformation vorstellen, was für ihre Klasse spricht, denn nicht jedes Stück hielte dieser Be­handlung stand.

Natürlich kann man dieses Konzert nicht nur unter dem Aspekt der Setlist betrachten, sondern auch unter dem der Musiker. Maria Baptist kommt ursprüng-lich von der Klassik. Dementsprechend makellos ist ihr Anschlag. Nachdem sie ihr Augenmerk irgendwann verstärkt auf Jazz, improvisatorischen Wagemut und kompositorische Abenteuerlust gelegt hat, ist sie der lebendige Beweis dafür, dass Disziplin und höchste Spielkultur durchaus eine überaus spannende Ver­bindung eingehen können mit quirligen Eskapaden auf den weißen und schwar­zen Tasten, mit musikalischem Witz und purer Lust am Umgang mit diesen wun­derschönen Melodien, die man sofort beim ersten Hören in sein Herz schließt.

Jan von Klewitz ist der ideale Partner. Mal übernimmt er die Führung, gibt die Richtung vor, entwickelt Ideen, ist zu­ständig für lyrische Momente ebenso wie für dramatische, für die große Geste und den kleinen akustischen Tupfer. Dann wieder zieht er sich zurück, beschränkt sich aufs Kommentieren. Die Rollenver­teilung wechselt ständig. Sein sensibler, warmer Ton passt wunderbar zur Spiel­weise Baptists, beide sind wie füreinan­der geschaffen und spielen an diesem Abend Stücke, von denen in der Tat ei­nes schöner ist als das andere.

Geregnet hat es nach dem Konzert draußen diesmal nicht. Eine erneute Neuburg-Komposition wird es also ver­mutlich nicht geben. Das Abschlussstück des Albums mit dem Titel „Longing“ freilich könnte als Motto dienen. Mit dem letzten Ton nämlich bereits beginnt das sehnsüchtige Warten auf das nächste Gastspiel dieses wunderbaren Duos, an dessen Musik man sich in der Tat nur schwerlich satthören kann.