Am 29. September 2017 geht spät abends, kurz vor Mitternacht, ein heftiges Gewitter über Neuburg nieder. Maria Baptist und ihre Band sind zu Fuß auf dem Weg ins nahe Hotel und werden nass bis auf die Haut. Das ist der Auslöser für die wunderschöne Komposition „Midnight Rain“, die noch in selbiger Nacht entsteht und die die Pianistin und Komponistin nunmehr bei ihrem Konzert im Birdland Jazzclub präsentiert. Manchmal kehrt Musik tatsächlich an den Ort ihres Entstehens zurück.
Diesmal hat Baptist zwar keine Band dabei, dafür aber ihr brandneues Album „Facing Duality“ – worauf auch „Midnight Rain“ zu finden ist – und als Partner den Altsaxofonisten Jan von Klewitz. Baptist ist zu haben als Leiterin einer Big Band, mit Trio oder Quartett, besonders interessant freilich ist das Duo-Format, weil hier am deutlichsten wird, dass ihre Kompositionen, die in einem Fort zwischen Mainstream und Modern Jazz hin und her pendeln, auch in reduzierter Form ihre volle Kraft entfalten und ihre Wirkung aufs Publikum nicht verfehlen. Zwei Zugaben und trotz der wegen Corona gelichteten Reihen heftiger Applaus legen davon Zeugnis ab. Man könnte sich Stücke wie „Minotaurus“ oder „Natural Landscapes“ sogar im Sound einer elektrisch verstärkten Fusionformation vorstellen, was für ihre Klasse spricht, denn nicht jedes Stück hielte dieser Behandlung stand.
Natürlich kann man dieses Konzert nicht nur unter dem Aspekt der Setlist betrachten, sondern auch unter dem der Musiker. Maria Baptist kommt ursprüng-lich von der Klassik. Dementsprechend makellos ist ihr Anschlag. Nachdem sie ihr Augenmerk irgendwann verstärkt auf Jazz, improvisatorischen Wagemut und kompositorische Abenteuerlust gelegt hat, ist sie der lebendige Beweis dafür, dass Disziplin und höchste Spielkultur durchaus eine überaus spannende Verbindung eingehen können mit quirligen Eskapaden auf den weißen und schwarzen Tasten, mit musikalischem Witz und purer Lust am Umgang mit diesen wunderschönen Melodien, die man sofort beim ersten Hören in sein Herz schließt.
Jan von Klewitz ist der ideale Partner. Mal übernimmt er die Führung, gibt die Richtung vor, entwickelt Ideen, ist zuständig für lyrische Momente ebenso wie für dramatische, für die große Geste und den kleinen akustischen Tupfer. Dann wieder zieht er sich zurück, beschränkt sich aufs Kommentieren. Die Rollenverteilung wechselt ständig. Sein sensibler, warmer Ton passt wunderbar zur Spielweise Baptists, beide sind wie füreinander geschaffen und spielen an diesem Abend Stücke, von denen in der Tat eines schöner ist als das andere.
Geregnet hat es nach dem Konzert draußen diesmal nicht. Eine erneute Neuburg-Komposition wird es also vermutlich nicht geben. Das Abschlussstück des Albums mit dem Titel „Longing“ freilich könnte als Motto dienen. Mit dem letzten Ton nämlich bereits beginnt das sehnsüchtige Warten auf das nächste Gastspiel dieses wunderbaren Duos, an dessen Musik man sich in der Tat nur schwerlich satthören kann.