Larry Goldings – Peter Bernstein – Bill Stewart | 26.04.2024

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Zu laut! Schon wieder versuchen ein paar wenige das Konzert dreier absoluter Superstars des internationalen Jazz im intimen Rahmen des Birdland-Jazzclubs auf ihre eigene Erwartungsebene herunterzuziehen. „Der Bass ist zu laut“, ruft jemand nach dem ersten Stück auf Deutsch (was tatsächlich auch stimmt) – als ob die Amerikaner das auch verstehen würden. Eine gelinde gesagt unqualifizierte Bemerkung, weil sie impliziert, dass jeder zahlende Besucher das Recht hat, darüber zu bestimmen, wie ein Musiker zu agieren hat.

Gleichwohl: Organist Larry Goldings hat den „freundlichen“ Hinweis wegen des leicht aggressiven Untertons verstanden, fährt den Pegel seines Fuß-Basses ein bisschen herunter. Aber wer des Lesens im Programm mächtig ist, der hätte wissen können, was einen da erwartet: eine original Hammond B 3, die eben eine Steckdose braucht, ebenso wie die halbakustische Gitarre von Peter Bernstein. Dazwischen ein Superdrummer wie Bill Stewart, der sich inmitten der beiden manchmal durchaus nicht leise positionieren muss. Da steigt nun mal die Phon-Zahl, aber den allermeisten Gästen im erneut ausverkauften Hofapothekenkeller gefällt die anschließende, über zweistündige und auch lautstärkentechnisch weitgehend dosierte Darbietung des Trios so gut, dass sie sich gleich mehrere Zugaben erklatschen.

Hier ist generell vieles anders als in New York. „Wer hat tatsächlich noch einen CD-Player zuhause?“, fragt Goldings im Laufe des launigen Abends. Als sich eine ganze Reihe von Händen heben, schüttelt er nur fassungslos lächelnd den Kopf. Dennoch gefällt es den drei Haudegen, vor einem derart aufmerksamen Publikum zu spielen. Lautstärke hin oder her: Es gibt genügend Abstufungen zwischen hell und dunkel, zwischen fröhlich und melancholisch, wie zum Beispiel im Gitarrenklassiker „Django“, einem schwebend-vorsichtigen Standard aus der großen Vergangenheit des Jazz, mit einem fingerpickenden Intro Bernsteins, einem butterweichen Hammond-Flugkissen Goldingsʼ und einem tickenden Schlagzeug Stewarts.

35 Jahre gibt es eines der größten und schillerndsten Orgeltrios der Jazzgeschichte nun schon. Mittlerweile agieren Goldings, Bernstein und Stewart wie ein kräftiges Bäumchen, dessen Wurzeln tief im Boden der Tradition stecken, das sich aber mächtig in die Gegenwart reckt. Goldingsʼ Hammond kann nicht nur bullern und einen zähflüssigen Brei vor sich herschieben. Manchmal sondert er Töne ab, die man noch nie zuvor von diesem Instrument gehört zu haben glaubt, etwa das Geräusch eines Wasserstrahls oder eines bremsenden Autos. Bill Stewart ist eben nicht nur ein Schlagzeuger, bei dem man schon froh sein muss, wenn er zählen kann, sondern ein unglaublich sensibler Zuhörer und Begleiter, ausgestattet mit einem untrüglichen Gespür dafür, wann er verstärken, wann zurücknehmen, wann konterkarieren muss. Ein Feuerwerk an Genussmomenten präsentiert Peter Bernstein mit einer Batterie an züngelnden Singlenote-Kombinationen, alle ein wenig bluesig angeraut und wie ein feines Skalpell unter die Haut gehend – ein spektakulär unspektakulärer Gitarrist. Alle drei verzichten konsequent auf die Zurschaustellung von Virtuosität und die große Pose. Stets kristallklar im Klang wie in ihren Gedanken grooven sie wie der Teufel und geraten dabei doch nie in Gefahr, Schweißperlen auf der Stirn zu bekommen.

Ob sie nun „Grandmaʼs Pyjamas“ zur Schau stellen oder sich am „Little Green Man“ ergötzen, ob sie ihren „Jive Coffee“ mit dem Publikum genießen, in Burt Bacharachs „This Guyʼs In Love With You“ schwelgen oder Monks „Trinkle Tinkle“ in ihre Tonsprache übersetzen – alles bereitet Musikern wie Publikum tierischen Spaß! Man wird Zeuge, wie sich drei lebenslange Freunde unterhalten, jeder für sich ein Spezialist für Zwischentöne und Differenziertes. Und am Ende spricht keiner mehr über Lautstärke.