Klaus Doldinger’s Jazzport | 18.09.2009

Donaukurier | Clara Fiedler
 

Wer kennt sie nicht, die Melodie, die einem beim sonntäglichen Tatort im ARD um die Ohren fliegt und nach dem ersten Mal Hören schon hineingeht, was doch sehr für sie spricht? Oder das Monumentale Thema von „Das Boot“, das auf beängstigende Weise dichte Stille vertont? Man möchte meinen, diese Tonfolgen seien jedem bekannt und auch deren Komponist den meisten ein Begriff. Aber Klaus Doldinger ist mehr als der personifizierte Ohrwurm. Denn wer am vergangenen Freitag zu spät in das Gewölbe unter der alten Hofapotheke kam, der nahm die letzten Stufen der Treppe im Schweben und landete sanft auf einem trotz seiner Leichtigkeit massiven Piano-Groove, über den sich Doldinger nur ein paar minimalistische, meisterhaft platzierte Phrasen erlaubte. Mit dem „Jazzport“ lernt man Doldinger als Improvisator und Solisten kennen. Als einen Solisten, der eigentlich sonst nichts braucht. Die Töne, die er spielt, genügen sich selbst. Sie haben tiefe, starke und unüberhörbare Farben, die eine Harmonie erahnen lassen, sie vielleicht beinhalten, sie aber nicht unbedingt brauchen. Es wird einem wieder so unmittelbar bewusst, dass jedes Instrument, egal welches, eigentlich nichts anderes benötigt, außer den Richtigen, der es spielt.
Er schien es zu genießen, der große Meister. Das Familiäre, den Kontakt zum Publikum, das er zwischen den Stücken mit ebenso humoristisch-unterhaltenden wie ausufernden Anekdoten unterhielt, und mit dem Reden manchmal gar nicht mehr aufhören wollte, sodass er seine schon verunsicherten Kollegen, die seine Erzählungen mit einer lockeren Spontan-Session untermalten, immer wieder mal ermutigen musste: „Macht ruhig weiter, das ist schön. Ich sag’ noch ein bisschen was zu…!“ Umso tiefgehender und faszinierender sind seine Soli. Und ja, es funktioniert wirklich. Man kann mit einem Saxophon eine Sonne aufgehen lassen, man kann es quietschen und grunzen und lachen lassen, man kann es eins werden lassen mit sich selbst, sodass Mensch und Instrument nur noch Kanal sind, durch den unheimlich große Musik fließt. Und dann lacht man wieder, schüttelt nur noch fassungslos den Kopf, wenn der Pianist Michael Hornek in rasanten und brutal virtuosen Improvisationen die klassische Schule durchblitzen lässt, die er wahrscheinlich irgendwann genossen haben muss, oder man in seinem Keyboard diesen schönen typischen Fusion-Sound wiederfindet. Zusammen mit dem Bassisten Patrick Scales und dem Schlagzeuger Christian Lettner entstanden sie immer wieder, an diesem Abend, diese weiten Klangflächen, die an eine endlose Wiese erinnern, deren Gräser sich im Wind bewegen, und die das Durchatmen nach einem langen Arbeitstag kinderleicht machen. Und am Schluss hat er sie dann doch noch gespielt, die Melodien, die wir alle kennen. Und man kann jede Wette eingehen, dass alle Anwesenden sich nicht nur dann an diesen Abend erinnern werden, wenn ihnen diese letzte Melodie, die hier gespielt wurde, wieder über den Weg läuft.