Manche in der Region ansässigen Musiker sind so schlau, sich ab und zu anlässlich eines Konzerts ins Publikum zu mischen und sich von internationalen Größen ein paar Tricks abzuschauen. Kerstin Schulz, Sängerin und selbst wohnhaft in Neuburg, gehört zu ihnen. Die internationalen Stars spielen quasi bei ihr vor der Türe und mit dem Birdland steht ihr einer der renommiertesten Jazzclubs Europas zur Verfügung.
An diesem Abend, an dem vor dem Haus draußen auf dem Karlsplatz der Weihnachtsmarkt tobt, steht sie wieder einmal selbst auf der Bühne unten im Birdland-Keller, zusammen mit ihrer Band 4 Of A Kind, und das Gewölbe ist wie immer bei ihr ausverkauft. Zwar haben viele das Quintett mit Jens Lohse am Flügel, Christoph Zoelch am Tenorsaxofon, Michael Harnoß am Kontrabass und Tom Diewock am Schlagzeug und ihr selbst in den vergangenen Jahren dort bereits erlebt, kommen aber immer wieder, vermutlich genau wissend, dass sie hier eine Band hören und sehen werden, die sich in permanenter Rundumerneuerung befindet, diesmal also vermutlich anders klingen wird als noch vor zwei oder drei Jahren.
Das bewahrheitet sich denn auch und beginnt schon bei der Songauswahl. Natürlich dürfen Swing (Petkere’s „Another You“ und Gershwin’s „They Can’t Take That Away From Me“) nach wie vor nicht fehlen, aber dass neben einer sensationell guten Version von Hoagy Carmichael’s Klassiker „Georgia On My Mind“ ausgerechnet Jamie Cullum’s „All At Sea“ und Paul Simon’s „American Tune“ zu den Highlights des ersten Sets werden würden, ist schon überraschend. Nach der Pause beweisen die Instrumentalisten dann endgültig, dass sie weit mehr sind als eine Begleittruppe. Harnoß‘ Eigenkomposition „Sankta Mea“ und die glänzend arrangierte Beatles-Nummer „Eleanor Rigby“, sehr eigenständig interpretiert von einer Band, die sich mal so richtig selbst von der Leine lässt, sind die Höhepunkte nach der Pause.
Eine Sängerin wie Kerstin Schulz, variantenreich, auch bei den Balladen ausdrucksstark und sicher, ausgestattet mit einer markanten und unverkennbaren Stimme, wird immer die Szenerie dominieren, einfach nur, weil sie da ist und singt und – überaus sympathisch und auf herzliche Art – Kontakt mit dem Publikum hält. Aber sie muss sich auch auf ihre Band verlassen können, die diesmal gefühlt sogar über noch mehr Freiraum verfügt als bei früheren Konzerten. Jens Lohse und Christoph Zoelch, jeder für sich kompetenter Solist und Begleiter bei Knallern wie „Muddy Water“ in der Zugabe oder einer der Balladen, Harnoß an der Basis, dem man überhaupt nicht anmerkt, dass er ja nicht mal der etatmäßige Bassist des Ensembles ist, und dann der exzellente Allrounder Tom Diewock, der gerade eben noch zusammen mit der international besetzten Ingolstädter Band „United Blues & Rock Explosion“ eine CD ungleich heftigerer Gangart eingespielt hat, ja, auf eine Mannschaft wie diese kann Schulz blind vertrauen.
Und das Publikum? Das kann seinerseits blind darauf vertrauen, dass in der Birdland-Reihe „Jazz Regional“ immer wieder Bands wie diese auftreten, die zwar bei weitem nicht so bekannt sind wie jene, aber erstaunlicherweise manch etabliertem, europaweit aktiven Jazzer durchaus das Wasser reichen können. So wie Kerstin Schulz & 4 Of A Kind bei ihrem vorweihnachtlichen Termin in Neuburg.