Kenny Washington Quartet | 07.02.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Es gibt Situationen, die zaubern einem, sofern man nicht gänzlich emotionslos ist, unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht. Das Gastspiel des Kenny Washington Quartets im Birdland Jazzclub ist ein Beispiel dafür. Nach jeder seiner Balladen, die den Löwenanteil des Repertoires des Sängers mit der unwiderstehlichen Stimme ausmachen, ist man berührt. Damit erreicht Kenny Washington aus New Orleans, der kleine Mann mit der großen Stimme, jeden im Publikum, obwohl er den Kontakt zum Auditorium gar nicht offensiv sucht, keine Ansagen macht, sich nicht weiter zu den Stücken und zu deren Inhalt äußert. Er macht sich die Sache dadurch nicht unbedingt leichter und es dauert auch eine gewisse Zeit, bis die Leute im Saal ihre Zurückhaltung ablegen.

Washington verlässt sich ganz auf die Wirkung seiner Stimme und auf die Songs, die er für den Auftritt ausgewählt hat und dringt letztendlich auf diese Weise dann doch vor ins emotionale Zentrum eines jeden Einzelnen. Washington singt Swing, Jazz, Soul, Pop, Blues und vor allem Balladen. Mit ihnen punktet er ganz gehörig. Sein Bariton in Nat King Cole’s „When Sunny Gets Blue“ oder Frank Sinatra’s „The Way You Look Tonight“ ist verführerisch, er trifft genau die Stimmungslage des jeweiligen Songs, neigt aber nie zu Übertreibungen. Nie hat man das Gefühl, er setze Stilmittel bewusst oder gar berechnend ein, um eine besondere Wirkung zu erzielen, nein, er singt völlig natürlich, es ist, als ströme der Text einfach nur aus ihm heraus. „Come Rain Or Come Shine“ oder Dinah Washington’s „What A Differene A Day Makes“ bringt er in Fassungen, mit denen er einen Vergleich mit viel berühmteren Vokalisten wie Kurt Elling oder Bobby McFerrin nicht scheuen muss.

Kenny Washington als Scatter? – Ja, den gibt es auch, obwohl er an sich kein Freund irgendwelcher Kunststücke ist. Die beiden Miles Davis-Klassiker „So What?“ und „All Blues“, in denen er nur lautiert und keinen Text singt, werden dennoch zu den eigentlichen Highlights des Abends, weil sie am eindrücklichsten demonstrieren, dass Washington nicht nur die emotionale Ebene bedient, sondern überdies auch ein glänzender Techniker ist und mit seiner vier Oktaven umfassenden Stimme über ähnlich enorme Möglichkeiten verfügt wie etwa seinerzeit ein Al Jarreau.

Seine Band mit Paul Kirby am Flügel, Martin Zenker am Kontrabass und Kim Mincham am Schlagzeug sorgt für ein edles, intensives, aber nie affektiert wirkendes Klangbild, so dass sich zusammen mit Washingtons Gesang ein Gesamteindruck ergibt, den man durchaus als „sophisticated“ bezeichnen könnte. Oder anders ausgedrückt: Was Washington und seine drei Kollegen an diesem Abend bei ihrem Birdland-Konzert abliefern, ist ganz einfach ein Ohrenschmaus.