Kenny Washington Quartet | 02.11.2018

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Dieser Kenny Washington ist ein kleiner Mann, von zierlicher Gestalt. Wenn er sich auf der Bühne neben seinen ein bis zwei Köpfe größeren Mitstreitern Paul Kirby (Piano), Martin Zenker (Bass) und Kim Minchan (drums) verbeugt, wirkt der Sänger des Kenny Washington Quartet fast ein wenig verloren. Vor den einzelnen Songs spricht der 61-Jährige, der in der Jazz-Kapitale New Orleans aufgewachsen ist, mit seinen Instrumentalisten oft über längere Zeit Tempo und Solo-Einlagen ab, seinen Musikern zugewandt und mit dem Rücken zum Publikum.

Eine kleine Marotte eines großen Jazz-Poeten und Sängers mit einem unglaublichen Stimmumfangs über vier Oktaven hinweg. Was aus diesem auch in der größten Emotion nicht affektiert wirkenden Songkünstlers herauskommt, zieht das Publikum sofort in den Bann: ausdrucksstark in den leisesten Passagen mit der Kopfstimme, zupackend in der Basslage, samten im Bariton und klar bis in die kritischen Höhen des Tenor hinauf.

Kenny Washington spielt auf eine sehr eigene, gelegentlich verblüffende und am Ende meisterlich-stimmige Art die Klaviatur von Blues, Ballade, Swing oder Gospel-Anklängen. Er hat sich den Stil von Legenden wie Ella Fitzgerald bis hin zu einem Stevie Wonder anverwandelt und schöpft so aus einem ganz großen Fundus.

Was er daraus macht, auch mit improvisatorischen Ausflügen innerhalb klassischer Songs, ist ein Erlebnis und wird vom Birdland-Publkum mit wiederholten Beifallsstürmen honoriert. Dabei lebt das Gesamtkunstwerk Kenny Washington Quartet auch von bravourösen Instrumentalisten, die mit ihrem Sänger und spiritus rector in der gleichen musikalischen Welt unterwegs sind.

Paul Kirby am Piano zeigt sich als genialer Begleiter, mit außergewöhnlichem Gefühl für Dynamik und Klangfarbe, in Songs wie „Be smart, be sweet, be hard …“ oder „Sitting on the dock …“ verwandelt der Mann am Klavier sein Instrument fast in eine zweite Gesangsstimme. Und in seinen großen Soli kostet Kirby die Freuden des raffinierten Spiels mit der Improvisation und der Vieldeutigkeit von Akkorden und Melodien aus. Kim Minchan am Schlagzeug swingt, dass es eine Freude ist und genießt alle rhythmischen Feinheiten. Bei der Lautstärke lässt er sich einige Male zum Überschwang fortreißen, in der Akustik des Birdland-Kellers wäre weniger mehr gewesen. Ein Genuss, dem Kontrabassisten Martin Zenker zuzuhören: Dieser Mann spielt präzise, mit der Leichtigkeit des Könners und im Vertrauen auf den Klang seines vorzüglichen Instrumentes.

„Georgia on my mind“ ist ein Evergreen, wenn man so will ein Jazz-Schlager. Man glaubt, davon schon alle möglichen Interpretationen zu kennen – und also zu wissen, was nach den ersten Tönen kommen kann. Eine Täuschung, wie das Kenny Washington Quartet vor Augen und Ohren führte. So schwebend und intensiv, so dicht in der Empfindung und doch wieder so unmittelbar, ja selbstverständlich hat man diesen Song noch kaum gehört. Das Schwere wird leicht, das Leichte birgt immer auch das Schwere in sich. Ein grandioser Schluss eines ungewöhnlichen Abends.K