Julia Hülsmann Quartett | 27.09.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Julia Hülsmann im Bird­land? Das hatten wir schon öfter. Alle paar Jahre mal gastiert die Pianistin und Komponistin aus Berlin in Neuburg. Je­des Mal hat sie ein anderes Projekt im Köcher, diesmal heißt es „Under The Surface“, ist auf ECM als CD und LP er­schienen und liefert den Stoff für einen in hohem Maße interessanten Abend, den sie mit ihrem seit nunmehr 23 Jahren bestehenden Trio (Marc Muellbauer am Kontrabass und Heinrich Köberling am Schlagzeug) bestreitet, das durch die Mitwirkung des vor geraumer Zeit zur Band gestoßenen Tenorsaxofonisten Uli Kempendorff zum Quartett wurde.

Es ist dieses ungemein lustbetonte Spiel mit Melodien und Rhythmen, das den Abend zum einen Teil bestimmt, die nach Art eines Chamäleons sich ständig ändernden Farben und Ansätze innerhalb der Kompositionen, die daraus sich en­wickelnden Schattierungen. Die changie­renden Blickwinkel, mit der die Pianis­ten den Stücken verschiedene Aspekte entlockt, die „They Stumble, They Walk“ und „May Song“ gleich zu Be­ginn des Konzerts ihren unverwechsel­baren Charakter verleihen, bekommen mit „Milkwood Monarch“ auch vom Ti­tel her ihre Entsprechung. Mit dem Mon­arch ist der Schmetterling gleichen Na­mens gemeint, und wenn der mit den Flügeln schlägt, hat das – laut Chaos-theorie zumindest – ja oft ungeahnte Fol­gen. Bei diesem Quartett heißt das frei­lich: Spielerische Leichtigkeit, Ergebnis­offenheit und kreative Freiheit, Faktoren also, die ein Konzert spannend machen, aber in diesem Fall gar nichts mit Belie­bigkeit zu tun haben.

Denn auch Zielstrebigkeit, Organisation und ein fest umrissenes Konzept sind wichtig an diesem Abend. Zum Beispiel die Einpassung eines Popsongs – in die­sem Fall „Rolling In The Deep“ von Adele – in ein ansonsten eher lyrisch ausgerichtetes Stimmungsbild, das sanft gleitende „Bubbles“ als Gegengewicht zum bebopartigen „Jetzt noch nicht!“, das recht straff organisierte „Never­green“ gegenüber dem Titelstück des ak­tuellen Albums, das auf einem ausgetüf­teltem Akkordsystem und einem wohl überlegten Aufbau mit A- und B-Teil be­ruht. Und dann ist da neben dem war­men, wohligen „The Earth Below“ ja auch noch „Anti Fragile“, das „Wut­stück“ Hülsmanns als deutlich hörbares Statement gegen Kunstfeindlichkeit und kulturelle Verarmung und die damit ein­hergehende gesellschaftliche Verrohung, bei dem sie es gegen Ende hin – für ihre Verhältnisse – recht ordentlich krachen lässt.

Überlegte Organisation bei gleichzeiti­ger Bereitstellung und Ausnutzung im­provisatorischer Freiräume, komprimier­te Abläufe und trotzdem genügend Platz für das kreative Moment bei allen Betei­ligten.Vielleicht zeitigt diese Vorgehens­weise deswegen ein so charmantes, far­benfrohes und schillerndes Ergebnis, weil jeder Musiker nicht nur als Solist und Ensemblespieler sein Scherflein bei­trägt, sondern auch als Komponist, und nur aus dem Team heraus etwas Ganzes wachsen, eine Band einen Gesamtsound und eine eigene Sprache innerhalb des Modern Jazz entwickeln kann. Das Pu­blikum würdigt das mit lang anhalten­dem Applaus und dem dringenden Wunsch nach Zugabe, vermutlich nicht nur aus Hochachtung der musikalischen Leistung der Beteiligten gegenüber, son­dern weil es genau spürt, dass an diesem Abend alles auf sehr schöne Weise„stimmig“ ist.