Joscho Stephan Trio | 10.05.2024

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Immer wenn man denkt, es geht nicht mehr, … kommt jemand, der die Fenster aufreißt und die Grenzen überschreitet. So einer ist Joscho Stephan. Seit der gebürtige Mönchengladbacher als Jugendlicher eher zufällig die Musik Django Reinhardts entdeckt hat, geht es ab. Joscho Stephan ist weit mehr als ein klassischer Djangologist, er trägt die Fackel weit über das Erwartbare hinaus.

Schon bei seinem 2010er Gastspiel im Birdland begeisterte er mit seiner Erweiterung des klassischen Gypsy-Repertoires. Joscho Stephan nimmt die Tradition absolut ernst, beherrscht die klassischen Standards des Genres aus dem Effeff und huldigt Übervater Django mit aller zu Gebote stehenden Virtuosität, ungemein locker swingend und jener spielerischen Leichtigkeit, die nur durch tausende Stunden beharrlichsten Übens entstehen kann. Genau das gibt ihm zugleich die Freiheit, die Grenzen des Genres aufzubrechen, feste Ankerpfosten loszulassen und hinauszufahren dahin, wohin die Sehnsucht nach dem weiten Meer treiben mag.

Das zeigt sich schon zu Beginn des Konzerts, nicht nur, weil es mit Paul McCartneys Beatles-Klassiker »Can‘t By Me Love« beginnt, sondern auch, weil von Beginn an die individuelle Handschrift Joscho Stephans hörbar wird mit seiner eigenwilligen Gestaltung der Akkorde und geradezu atemberaubenden Linien sowie dem glockenklaren Sound jeder einzelnen Note.

Es kommt bekanntlich nicht nur darauf an, was man spielt, sondern wesentlich auf das Wie: Mozarts »Rondo a la turca« passt da ebenso ins Bild wie Jimi Hendrix »Hey Joe«, Dorado Schmitts »Bossa«, mal eben angereichert nicht nur mit dem Stones Hit »Paint It Black«, ebenso wie Pat Mathenys »Travels«, Charlie Christians »Seven Come Eleven« ebenso wie Stephans eigene Stücke, »Funk 22« etwa oder der nagelneu seiner – offenkundig temperamentvollen – Frau gewidmete »Song for Ramona«, nicht zuletzt der »Rattlesnake Reggae Shuffle«; der Name sagt schon alles.

Dass Django Reinhardt, u.a. mit »Minor Swing«, wie nebenher auch Astor Piazolla mit »Oblivion« zu Wort kommen, versteht sich wie von selbst. Joscho Stephan öffnet nicht nur die eigenen Ohren weit, bleibt zugleich seiner Sache radikal treu, dem Gypsy Jazz.

Sven Jungbeck an der Rhythmusgitarre – selbst auch ein veritabler Solist – und der fulminante Bassisten Volker Kamp, zwei würdige Kombattanten, heben den Abend auf glänzendem Niveau aus einem reinen Solistenkonzert deutlich heraus.

Die höchste Ehre freilich gebührt Joscho Stephan und dessen ungemein kreativer Spiel- und Experimentierfreude an einem Instrument und in einem Genre, das offenkundig immer noch nicht ausgereizt ist. Selten war das wahrlich qualitätsverwöhnte Publikum im Birdland derart aus dem Häuschen.