Joe Barbieri „Chet Lives!“ | 25.10.2013

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

„Let’s Get Lost!“ Chet Bakers Zeit in Italien hat prägende Impulse gesetzt und bleibende Spuren hinterlassen in der Musik vom Stiefel. Was Wunder also, dass sich mit Joe Barbieri, Antonio Fresa und Luca Aquino drei Italiener des Erbes annahmen in – leider fast zu – ehrfürchtigem Respekt vor der immer wieder flüchtigen, jedoch unzweifelhaften musikalischen Substanz dieses gebrochenen Charakters.

„Time After Time“ – 25 Jahre ist es her, dass Chet Baker am 13. Mai 1988 unter bis heute nicht endgültig geklärten Umständen aus einem Hotelfenster in Amsterdam zu Tode stürzte. Als einer der ergreifendsten Instrumentalisten und Sänger des Jazz bleibt er in der Erinnerung seiner zahlreich über den Globus verteilten Fangemeinde bis heute lebendig.

Was war das Geheimnis des 1929 in Yale, Oklahoma, geborenen Musikers Chet Baker? In jungen Jahren galt er aufgrund seines markanten Aussehens als der James Dean des Jazz – zahlreiche Bilder v.a. von William Claxton stilisierten ihn förmlich zur Ikone. Sein vibratoloser, kühler Ton an Trompete und Flügelhorn ließen ihn zu Beginn der 50er als Westcoast-Antipoden des New York aufmischenden Miles Davis erscheinen. Die damals schon so schutzlos und verletzlich erscheinende Stimme war ohnehin von Beginn an einzigartig: „I Fall in Love too Easily“. Das pianolose Quartett mit Gerry Mulligan gilt als wesentlicher jazzhistorischer Kristallisationspunkt des Westcoast-Jazz, der dem heißen Atem New Yorks eine kühle Brise, Entspannung und eine eigentümliche Sehnsucht entgegensetzte: „Almost Blue“!

Welcher Kontrast dazu der Chet Baker der späten 70er und 80er, von Drogen zerfressen und am Boden menschlicher Existenz, immer noch jedoch erfüllt von jener unsagbar sehnsuchtsvollen Musikalität, in der sich Resignation und Hoffnung eine Balance halten, die das Leben trotz aller Versagung erträglich erscheinen lässt!

Der Zauber Chet Bakers ist nicht wiederholbar. So tappten Barbieri, Fresa und Aquino bei ihrem Konzert im Neuburger Birdland leider ein Stück weit in die Falle, die jeder Traditionspflege innewohnt: Wer zu nah am Vorbild bleibt, verliert sich selbst.

Dabei gaben sie durchaus effektvoll das Herzblut ihrer Verehrung. Antonio Fresa spielte den Bösendorfer zurückhaltend, cool, mit leisen Farben, ließ nachvollziehen, warum Chet Baker sich an der Adria so wohl fühlte wie am Santa Monica Beach von Los Angeles. Luca Aquino traf an Flügelhorn und Trompete immer wieder einen spezifischen Hauch melancholischer Zurückhaltung und Joe Barbieri ließ zur eigenen Gitarre seine Stimme in einem Schmelz in den Jazzkeller tropfen, der spätestens bei Chet Bakers Leib und Magen Lied „My Funny Valentine“ dann doch wahr erscheinen ließ, was das Motto des Abends war: „Chet lives“, und sei es nur für eine Nacht im Birdland!

Hinweis: Das Konzert war der Auftakt des 3. Birdland Radio Jazz Festivals, das der Neuburger Jazzclub in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk / BR Klassik veranstaltet. Weitere Konzerte nach Hugo Strassers Hot Five am 26.10. geben der kubanische Pianist Gonzalo Rubalcaba mit Band am 8.11., das Trio des amerikanischen Trompeters Tom Harrell am 21.11., das sensationelle Trio Joachim Kühn, Daniel Humair und Bruno Chevillon am 22.11. und die Band Harmzone in der Jazznight am 23.11.