Früher kam der schottische Gitarrist Jim Mullen öfter mal nach Bayern. Regelmäßig etwa zu den Ingolstädter Jazztagen. Deswegen hat er auch viele alte Bekannte hier, deswegen widmet der das Konzert, das er zusammen mit seiner Gattin, der Londoner Jazzsängerin Zoe Francis, im Birdland gibt, auch dem Saxofonisten Bob Rückerl und dem Gitarristen Helmut Nieberle, den beiden viel zu früh verstorbenen einstigen Aushängeschildern der Regensburger Jazzszene, deswegen hat er auch keine Mühe, als Begleiter Stephan Holstein (B- und Bassklarinette, Tenorsaxofon), Wolfgang Kriener (Kontrabass) und Scotty Gottwald (Schlagzeug) zu gewinnen, die an ihren Instrumenten mit zum Besten gehören, was wir hier in Bayern zu bieten haben.
Mullen hat im Laufe seiner Karriere schon in den Bands von Pete Brown, Brian Auger, Georgie Fame und Van Morrison gespielt, war auch Teil der legendären Average White Band, und ist einer der ganz wenigen seines Faches, der beim Spielen lediglich den Daumen seiner rechten Hand benutzt, also weder Flat- noch Finger-Picker ist. Aber um all das geht es bei diesem Konzert nicht, sondern um eine gezielte Auswahl an Songs, die möglichst optimal zu Zoe Francis‘ Stimmlage, zu ihrem Naturell und zu ihrem Ausdruck passen. Also bringt das Quintett Stücke aus der Feder einiger der großen Jazz-Komponisten des 20. Jahrhunderts zu Gehör und auch weniger bekannte Perlen aus dem Great American Songbook. Die meisten davon hat Francis auf ihren eigenen Alben „Remembering Blossom Dearie“, „Somewhere In The Night“ und „Blue Town“ veröffentlicht, darunter etliche Balladen, weil sie dem Bühnennaturell der Sängerin besonders entgegen kommen.
Francis ist nicht der Typ, der sich in den Vordergrund drängt, ist Sängerin und nicht Entertainerin und alles andere als eine Stimmungskanone. Sie überzeugt vielmehr durch ihre Intonation und durch ihre Klangreinheit. Und man unterschätzt sie womöglich anfangs sogar, weil sie sich gegenüber der Band akustisch nicht eindeutig durchsetzen kann. Das ändert sich erst nach und nach, als man sie auch von der Lautstärke her heraushebt, und es ist sicherlich kein Zufall, dass sie sich die Highlights des Abends für die zweite Hälfte aufgespart hat. Das sind Harold Arlen’s „When The Sun Comes Out“, die romantische Version von Joe Stafford’s „The Things We Did Last Summer“ und Leonard Bernstein’s „Lonely Town“, der große Broadway Hit von 1944, der es nie in den Film „On The Town“ geschafft hat, weil er zu viele Moll-Akkorde enthielt. So argumentierte man zumindest in Hollywood, ohne zu berücksichtigen, dass ihn gerade das so einzigartig machen würde. Und überdies viele Jahrzehnte später auch noch zum Matchwinner beim Birdland-Konzert.
Neben Mullen selbst, der als einfühlsamer Begleiter ebenso zu überzeugen weiß wie als Solist, kann sich vor allem einmal mehr Stephan Holstein in Szene setzen. Man kennt das ja von ihm aufgrund vieler Auftritte in der Region: Wenn er zu einem Solo ansetzt, wird es so richtig spannend. Aber wie immer macht’s wieder mal die Mischung. Die handverlesenen Stücke aus Musical, Film und Broadway-Shows sowie ein paar Standards und deren Umsetzung in die Sprache des Swing und des Mainstream Jazz kommen beim Publikum bestens an. Das ist, was letztendlich zählt.

