Dieser Mann aus New Orleans ist einer der letzten Altsaxofonisten aus der großen alten Garde.
Und Jesse Davis hat bei seinem Auftritt im Birdland Jazzclub im Grunde schon nach zwei Tönen gewonnen. Ein satter Basissound und ein kleine Terz aufwärts dazu – das dauert ein paar Sekunden und es genügt, um zu spüren, wohin der Hase läuft.
Jesse Davis ist der musikalische wie emotionale Kopf seines Quartetts. Das heißt aber nicht, dass die anderen drei – Oliver Kent am Flügel, Martin Zenker am Bass und der Schlagzeuger Mario Gonzi – nur als bessere Assistenten des Meisters tätig wären.
Oliver Kent mit seinem feinen, filigranen Pianospiel steuert wunderbare Klangfarben zum Gesamtkunstwerk bei. Aus dem Kontrabass macht Martin Zenker fast ein elegantes Melodie-Instrument, auch wenn er nur im Pizzicato unterwegs ist. Und Mario Gonzi, ein Schlagzeuger der obersten Kategorie, breitet für die Mitstreiter ein samtenes Fundament aus Rhythmus und Tempo aus, auf dem sich die Mitstreiter immer wohl fühlen dürfen.
Für alle vier gilt: Die zu Herzen gehende Wirkung dieser Musik kommt nicht aus den virtuosen Kapriolen (die reichlich vorhanden waren), nicht aus der Lautstärke, nicht aus der Selbstdarstellung im Solo. Dieses Quartett überzeugt mit einem fast kammermusikalisch dichten Zusammenspiel.Da weiß jeder, was der anderen gleich machen wird, alle vier hören den Partner mit musikalischer Intelligenz zu – und freuen sich an der Reaktion des Publikums. „You have the power“, so sagt es Jesse Davis. Er meint damit, dass die Musiker ihre volle Wirkung nur aus der Kraft ausspielen können, die ihnen die Zuhörer geben. Ein interessanter Gedanke, aber die eigentliche Energie, die wahre Power kommt schon von dem Quartett selbst.
Das Geheimnis dieser Jazzformation liegt nicht zuletzt darin, dass sie mit ihrer improvisatorischen Kunst auch sehr lange Nummern zu einem kurzweiligen Erlebnis machen können. Jesse Davis erzählt zunächst mit seinem intensiven, immer mit einem Lächeln unterlegten Saxofon-Sound eine musikalische Geschichte, der Pianist und die beiden anderen geben dazu anfangs lediglich kleine, lockere Kommentare ab. Bei Titeln wie „The Theme“, „Pray to be free“ oder „Little girl blue“ ist diese Jazz-Art besonders ausgeprägt. Aus der Erzählung des Altsaxofons entsteht die lockere, gerade im Pianissimo besonders spannende Version des Klaviers. Der Kontrabass wie das Schlagzeug spinnen später ihre ganz eigene, neue Fassung.
Das ist durchdacht, mit großem Gespür für musikalische Stimmung, für lyrische Linien und für rhythmische Freiheiten in Klang umgesetzt. Knackige, rasante Stücke haben die vier Jazzer auch drauf. Aber am stärksten sind sie dort, wo man genau hinhören muss, um die verborgenen Schönheiten zu finden.