Jermaine Landsberger „Paris“ Trio | 15.03.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Regelmäßig kurz vor Ende des Winters kursieren Meldungen über zur Neige gehende Energievorräte und einen möglichen Tod wegen Erfrie­rens. Von wegen Energieknappheit! Mit dem Feuer und der Verve, die an diesem Abend Jermaine Landsbergers „Paris“-Trio im Birdland entfacht, könnte man problemlos auch weitaus größere Räum­lichkeiten heizen als das Gewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke.

Dabei sind Pianist Landsberger und sei­ne beiden jungen Kollegen William Bru­nard am Kontrabass und Raphael Pan­nier am Schlagzeug, die er aus Paris mit­gebracht hat, eigentlich doch nur ein Pia­no Trio, wie es so viele gibt im Jazz. Ja, eigentlich schon, in der Realität aber eben nicht, was unter anderem an besag­ter Energie liegt. Mit ihr kann man laut Definition Arbeit verrichten und Wärme erzeugen, in diesem Fall aber ist sie der entscheidende Faktor für ein sensationel­les Konzert, bei dem die Musiker regel­recht zu bersten scheinen vor Tatendrang und Leidenschaft.hbh Das Eröffnungsstück „Romanes“ – das ist die Bezeichnung für die Sprache der Sinti und Roma, auf die Landsberger immer wieder Bezug nimmt – ist der Brandbeschleuniger, anschlie­ßend wird pausenlos nachgelegt, was in der Summe ein absolut „heißes“ Konzert ergibt.

Diese Folge mit der Nummer 267 der Birdland-Reihe „Art Of Piano“ wird ver­mutlich in die Annalen eingehen. Lands­berger hat schon öfter – etwa bei seinem Birdland-Auftritt mit Biréli Lagrène im Januar 2016 – bewiesen, dass er einen Konzertsaal in ein Tollhaus verwandeln kann. Das weiß man, aber es ist schon immer etwas ganz besonderes, ihm dabei zuzuschauen und zuzuhören, wenn er es tatsächlich tut. Mit eigenen Stücken wie „La Parisienne“, „Gypsy Night In Buda­pest“ und „With Heart And Soul“, mit Keith Jarrett’s „So Tender“ – ja, jener hat tatsächlich neben seinem legendären „Köln Concert“ noch weitere Großtaten vollbracht – und sogar Fritz Kreislers „Liebesleid“, mit Fingern, die nur so über die Tasten rasen oder bei Bedarf den ganzen Wehmut und die ganze Tragik seines Volkes in ein paar Akkorde packen. Mit zwei Begleitern, deren Na­men man sich fürderhin unbedingt mer­ken muss, weil es einem fast den Atem raubt, wenn man ihnen zuhört und zu­sieht. William Brunard, der seine Töne fast slide-artig anvisiert, sie in den Raum stellt wie eine Wand, um nachher bei sei­nen Soli leichtfüßig um sie herumzutän­zeln. Und dann Raphael Pannier, ein echter Teufelskerl an den Trommeln und Becken. Man hat wahrlich schon viele herausragende Schlagzeuger im Birdland sehen können, Pannier aber kombiniert die Arbeit von Armen und Beinen auf eine Art und mit einer Geschwindigkeit, die einen schwindelig macht, weil man mit den Augen einfach nicht mehr mit­kommt.

Dieses sagenhafte Trio hat Landsber­gers musikalische Heimat längst verlas­sen und treibt sich in ganz anderen Regionen herum als viele seiner Kolle­gen aus dem Gypsy Swing-Lager. Ganz verleugnet er seine Herkunft freilich nicht. Sein „Valse Manouche“ ist – unter Mithilfe dieser wie entfesselt aufspielen­den Rhythmusgruppe – wieder mal eine Offenbarung und bei Django Reinhardt’s „Nuages“ schmilzt das Publikum ein­trächtig und kollektiv dahin. Selbiges ist übrigens komplett begeistert, das ganze Konzert hindurch und am Ende ganz be­sonders. Was angesichts dieses Wahn­sinns-Trios auch überhaupt nicht ver­wunderlich ist.