Jeff Hamilton Trio | 16.05.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Es heißt, sie böten allenfalls gepflegte Langeweile, wirkten wie laues Bargeklimper und hätten ihren kreativen Zenit mit Bill Evans längst erreicht. Keine Konfiguration im Jazz steht derzeit mehr unter Beschuß, als das Pianotrio. Da erfüllt es nicht nur Tasten- Enthusiasten immer wieder mit klammheimlicher Freude, daß die Betroffenen manchmal selbst die besten Argumente gegen solche Vorurteile liefern.

Ein Triumvirat beispielsweise wie das des amerikanischen Drummers Jeff Hamilton verkörpert bei seiner derzeit laufenden Deutschlandtournee nahezu symbolhaft das neue Selbstbewußtsein der einstigen Paradeformation des Jazz. Die drei vollbärtigen Gentlemen mittleren Alters würden bei ihrem Auftritt im Neuburger „Birdland“ Jazzclub zwar optisch perfekt in jede Einheitsschublade der Kritiker passen. Doch wer seine Ohren nicht nur als Aufhänger für die schicke Goldrandbrille nützt, der merkt recht bald, daß Hamilton, der Pianist Larry Fuller und der Bassist Lynn Seaton ihren Job völlig anders angehen, als jene Kollegen, die ehedem kräftig dabei mithalfen, den hochspannenden Triogedanken mit Vollgas an die Leitplanke zu fahren.

Denn auf die Mischung kommt es an, vor allem, wenn ein Schlagzeuger am Steuerknüppel sitzt. Während andere, wie etwa Charly Antolini mit ihrer „Haut-den-Lukas“-Mentalität die Kreativität im eigenen Umfeld gleich im Ansatz niederprügeln, läßt der 44jährige Hamilton seinen beiden Mitstreitern jeden nur erdenklichen Raum. Dies fördert den Gesamteindruck einer befreit aufspielenden, homogenen Einheit mit dem Esprit des legendären Oscar-Peterson-Trios, unterstreicht aber auch die gewaltigen Fähigkeiten ihres Leaders, der zu jeder Phase als gleichberechtigter Part agieren kann.

Jeff Hamilton selbst ist ein begnadeter Swinger, wie er da mit den Besen über die Felle streicht oder mit den Sticks an Metallrand der Snare klopft. Doch neben dem unermüdlichen Rhythmus-Kraftwerk verschwindet das Themengerüst nie im Hintergrund. Das Drumset als Harmonieinstrument: der Ausnahmemusiker weiß, wie`s geht. Als Solist (!) versucht er sich an Dizzy Gillespies „Night In Tunesia“. Was zunächst wie nervöses Gefummel anmutet, entfaltet sich rasch zur transparenten Melodie. Für deren Umsetzung bürstet, kratzt, schabt Hamilton oder reibt sich gar die Hände im flirrenden Sechsachtel-Takt wie nach einem delikaten Mahl.

Überhaupt wirkt vieles erfrischend unorthodox. Die Shuffle-Version von Monks „Bemsha Swing“ etwa oder das Anziehen des Tempos in „52nd Street Thing“, gerade so, als ob die Geschwindigkeit einer Platte von 33 auf 45 Umdrehungen erhöht würde. Das hochvirtuose Arco-Spiel Lynn Seatons, dessen arachisches Baß-Solo, das in einen melancholischen Moll-Blues mündet („3000 Miles“), oder sein brummelnder Scatgesang, der an Baßveteran Major Holley erinnert. Einer wie Larry Fuller zeichnet am Piano mit eigenem Schweiß kunstvolle Blueslinien, tiefdunkle Balladentupfer (traumhaft erhaben: „Time Passes On“) oder freche Stride-Kleckse.

Ein typischer Fall von geglückter Wechselwirkung. Denn am Ende der filigranen Tour de Force stellt sich einmal mehr bei Jeff Hamilton die berechtigte Frage: Wer belohnt hier eigentlich wen? Die Musiker ihr Publikum mit jener konkurrenzlosen Sammlung funkelnder Trio-Perlen oder das Publikum die Musiker mit scheinbar endlosen Ovationen? Die Antwort liegt dankenswerterweise irgendwo in der Mitte.