Während sich die Fußballer beider Nationen in Lyon treffen, trägt zeitgleich auch der Birdland Jazzclub seinen Anteil zur deutsch-französischen Partnerschaft bei. Das Quartett des Gitarristen und Komponisten Jean Philippe Bordier aus Paris hat sich angekündigt, mit Guillaime Naud an der Viscount-Orgel, Pascal Bivalsi am Vibrafon und dem aus Frankfurt stammenden Wahl-Pariser Andreas Neubauer am Schlagzeug. Wie in Lyon ist auch hier der Laden ausverkauft und wer vor Ort ist, erlebt einen überaus angenehmen Abend.
Im Grunde sind die knapp zwei Stunden im Birdland eine einzige große Surf-Session auf den Wellen der Grooves. Die geben ein rhythmisches, durchaus variables Grundmuster vor, gegen das die Themen der Stücke und die Improvisation gesetzt werden. Dadurch entsteht ein Spannungsverhältnis, das körperlich stimulierend wirkt. Und weil Bordier und seine Kollegen dieses Prinzip so wunderbar in die Praxis umsetzen, sitzt an diesem Abend auch kaum einer im Birdland-Gewölbe, der nicht mit den Beinen wippen, den Oberkörper hin und her bewegen oder mit dem Kopf wackeln würde. Die Musik mit all ihren Funk-, Blues- und Swingelementen, mit ihrer Verwurzelung im Soul-Jazz der Sechziger Jahre, mit den auf die Rhythmik aufgesetzten Wohlfühl-Harmonien, mit ihren eingängigen Melodien, ist natürlich auch das ideale Vehikel für die Band. Stücke wie „Hipster’s Alley“, „Valse für Dumé“ oder auch „Lélé“ sind Beispiele, das die Grooves in jedem beliebigen Tempo funktionieren, sofern die Band nur tight genug spielt, was sie in diesem Fall zweifelsohne tut. Und so ergötzt man sich an der rhythmischen Elastizität von „Pick Me Up“ und „Vidocq“, dem Stück über einen französischen Kriminellen zur Zeit Napoleons, der später Polizeipräfekt wurde, aber auch an der knackigen Funk-Variante bei „Doc Oligo“ und „Skunk“.
Zwei Dinge fallen auf. Zum einen spielt das Quartett ausschließlich ältere Stücke und bis auf zwei Ausnahmen nichts aus der aktuellen CD „4 Is More“, zum anderen scheint Bivalski eine Sonderrolle einzunehmen in der Band. Während die anderen sich und auch ihn harmonisch unterstützen, wenn ein Solo ansteht, tut Bivalski das nicht sondern hat Pause, obwohl er ja ein Harmonieinstrument vor sich hätte. Daraus ergeben sich zwar keine Auswirkungen auf die Qualität der Musik, aber eigenartig ist es doch. Wobei er mit seinen solistischen Ausflügen andererseits aber wiederum maßgeblich dazu beiträgt, dass ein ums andere Mal Applaus auf offener Strecke aufbrandet. Auch bei „Saturday Night Fever“ in Anlehnung an den gleichnamigen Disco-Hit von 1977, weil die Band auch hier die richtige Groove-Welle erwischt, wenngleich das Stück aber dennoch nicht so recht ins Konzept passen will, weil man dabei automatisch an all den Glitter und das stupide Oberflächengedudel des Originals denkt und die wirklich originelle Bearbeitung Bordiers fast aus dem Blickfeld gerät. Es riecht halt ein wenig zu sehr nach „George Benson meets Roy Ayers meets James Taylor“, und das hätte es nicht unbedingt gebraucht. Den gesamten Rest freilich schon, denn der machte so richtig Spaß, und auch der Schreiber dieser Zeilen gibt gerne zu, durchgehend, ausgiebig und kräftig mitgegroovt zu haben.