Normalerweise ist ein Quartett nach dem Bandleader benannt, der auch musikalisch und nicht nur nominell die Leitlinien setzt. Bei der Formation, die am Freitag im Birdland Neuburg begeisterte, war es ein wenig anders. Das Harry Allen-Martin Sasse Quartet firmiert unter einem Doppelnamen. Und das aus gutem Grund. Vom ersten bis zum letzten Song wurde klar: Diese Vierer-Band zieht ihre musikalische Qualität aus der schier unerschöpflichen Kreativität des Pianisten Martin Sasse und des Saxofonisten Harry Allen.
Und zwar wirklich zu gleichen Teilen. Der amerikanische Saxofon-Großmeister Allen und der herausragende Kölner Jazz-Pianist Martin Sasse prägen den Sound, den Spirit und den Drive dieser Formation. Was nicht heißt, dass der Mann am Bass (Bastian Weinig) und der Schlagzeuger Joost van Schalk nur schmückendes Beiwerk wären. Beide sind feinfühlige, mit hellwacher Präsenz musizierende Akteure. Zum ebenso kraftvollen wie schwebend swingenden Grundton der Band tragen sie ihren Anteil bei. Aber die „Big Points“ verwandeln Sasse und Allen.
Virtuoses Können und technische Perfektion bringen (so gut wie) alle Musiker/innen mit, die im Birdland Neuburg auftreten. Auch Harry Allen und Martin Sasse haben an diesem Abend genug Gelegenheit, in wilden Tonfolgen diese Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Entscheidend ist aber etwas anderes. Der Mann am Bösendorfer-Flügel und sein Partner am Tenor-Saxofon machen aus scheinbar einfachen Songs mit ihrer schier nicht zu bändigenden Lust am Improvisieren, am freien Spiel mit den tollsten Harmonien aufregende musikalische Reisen. Titel wie „If I were a ball“ oder „Four lovers“ und „The End of a Love affair“ können exemplarisch für diesen musikalischen Genuss – bei den Akteuren selber und beim Publikum – stehen.
Nicht nur einmal denkt man sich als Zuhörer, was den beiden Teufelskerlen auf der kleinen Birdland-Bühne jetzt wohl wieder einfällt. Und kaum hat man registriert, welche rasanten Kurven und eleganten Volten der Pianist oder der Kollege am Saxofon da gerade hinlegen, biegen sie schon in einen neuen musikalischen Weg ab. Dieses Überraschungsmoment haben auch der Bassist und der Schlagzeuger gelegentlich zu bieten, denn die Bälle, die ihnen von den beiden Leadern zugeworfen werden, wollen ja auch ordentlich aufgenommen werden.
Die Formation Piano, Tenorsaxofon, Bass und Schlagzeug ist die gleiche wie beim Saisonauftakt im Birdland vor einer Woche mit „Scott Hamilton & friends“: Wer beides gehört hat, der durfte zwei für sich beeindruckende, aber auch sehr verschiedene Konzerte in identischer Instrumentierung erleben. Hamiltons Band bot eher sanfte, balladenhafte und eher kammermusikalsch geprägtes Zusammenspiel. Bei Harry Allen, Martin Sasse und ihren Mitstreitern war der musikalische Zugriff etwas härter, auch in der Lautstärke ging es in andere Dimensionen, wurde nie zu massiv. Diese Musik war zupackender und expressiver. Beide Varianten haben ihre wunderbaren Momente. Dem einen mag dieses mehr zusagen, dem anderen jenes. Aber das ist dann reine Geschmackssache.

