„Grey“ | 20.09.2002

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Grau: irgendwo zwischen Schwarz und Weiß im Niemandsland des Farbspektrums, im Zwielicht des Nicht-mehr oder Noch-nicht der Nacht, stumpf, farblos, nichtig – oder Sie gehen ins Birdland! Was Wolfgang Puschnig, international hochgeachteter Altist und Flötenvirtuose mit seiner Formation „Grey“ am Wochenende im Keller unter der Hofapotheke bot, machte dem oft verkannten Grau alle Ehre, denn Grau ist nicht gleich Grau.

Wenn Loriot die Band kennen gelernt hätte, er hätte nicht „so’n ganz frisches Steingrau“ empfohlen, sondern ganz einfach den Puschnig: lebendiger Groove von einer der besten Rhythmusgruppen, von denen derzeit zu träumen ist, mit filigraner Florettkultur attackierende Soli und fein abgestufte Klangmagie vor ostinat sich schachtelnden Rhythmen, eindringliche musikalische Bauchtänze von wahrhaft weltmusikalischer Intensität, glutvolle Bewegung und die Suche nach dem verlorenen Schatz. Puschnig rechtfertigt seinen Ruf als Grenzgänger vollauf, ist im Hause Mozart ebenso daheim wie beim Duke, in Marakesch wie im Big Apple. Sein angriffslustig druckvoller Sound am Altsaxophon wie auf der Flöte überwindet mühelos alle harmonischen und stilistischen Barrieren und öffnet weite Horizonte. Steve Swallows halbakustischer E-Bass treibt und treidelt, singt und springt, grooved und gründelt. Drummer Victor Lewis lässt die Rhythmen zirkulieren, setzt Time und Tempo mit Drive und Druck. Don Alias‘ Percussion schließlich gibt die ideal abgestimmte Würze zu einem Gebräu, dessen Sogwirkung niemanden ruhig sitzen lassen kann, sondern wie gebannt dem zu zu streben heißt, was zwischen den Welten liegt im Grau der Morgendämmerung eines erwachenden neuen Tages.