George Gruntz Concert Jazz Band 2011 | 05.05.2011

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Laut ist’s. Tierisch laut. Als würden AC/DC in einer Gartenlaube jammen oder eine Concorde auf einer Kreisstraße landen. Aber eine Big Band wie die von George Gruntz braucht nun mal Raum, normalerweise mehr als das Areal des schnuckeligen Birdland Jazzclubs in Neuburg, in dem die Besucherzahl die Stärke des Klangkörpers allenfalls marginal übersteigt.

Gruntz jedoch, der Schweizer mit dem besonderen Händchen für Orchester, wollte auf seinem Weg von Wien nach Berlin unbedingt hier einen Zwischenstopp einlegen. Ausgerechnet diesen kleinen, besonderen Keller hatte sich die George Gruntz Concert Jazz Band (GG-CJB) für das Aufladen ihres kreativen Akkus ausgesucht. Eine hochkarätige Ansammlung von Individualisten, die 2012 ihr 40. Jubiläum feiert, präsentiert dabei ihr komplettes Spektrum. Keine Eins-Zwei-Drei-Arrangements, sondern kunstvoll verschachtelte Satzbauten, spinnwebartige Tutti, die sich trotz des begrenzten Resonanzraums erstaunlich detailgetreu entfalten, sowie unorthodoxe Klangfarben wie das Akkordeon von Luciano Biondini oder das Waldhorn von Chris Hunter.

Der mittlerweile 78-jährige Bandleader und Pianist hat es im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte verstanden, ein eigenständiges europäisches Gegengewicht zur bis dato übermächtigen amerikanischen Big Band-Phalanx zu schaffen. Moderner, offener, neugieriger, kantiger. Keine Stromlinienform, sondern eine bisweilen schrille, aber dennoch homogene Struktur, die sich aus dem Fundus der Klassik und der Volksmusik („Matterhorn Matters“) bedient oder aus den Quellen des Pop (Stevie Wonders „Too High“) und dem Great American Songbook schöpft.

Während die alten Jazzorchester mit der Gemächlichkeit einer Dampflokomotive dahinknatterten, gleitet die GG-CJB, angeschoben von Power-Drummer Danny Gottlieb, wie ein TGV durch jedes ihre vertrackten Notenkonstrukte. Gruntz richtet sein Augenmerk weniger auf den Gesamtklang, sondern rückt seine Musiker in den Fokus. Eine Band aus 16 Solisten. Zum Dank für diese besondere Form der Freiheit gibt es fulminante Instrumentalbeiträge. Trompeter Joe Magnarelli etwa erweist sich als Differenzierungskünstler von enormer Gestaltungskraft, Akkordeonist Biondini liefert sich im argentinisch angehauchten „Choro Loco“ einen hinreißenden Dialog mit Posaunist Dave Bargeron, Baritonsaxofonist Tom Timko probt auf seiner klobigen Tröte gar die Schussfahrt und Howard Johnson lässt mit seinem grummelnden Bärensound auf der Tuba Gänsehäute sprießen. Musikalisches Multikulti, zelebriert von Europäern und Amerikanern, quicklebendig, witzig, spritzig, aufregend.