Gary Smulyan – Ralph Moore Encounter Quintet | 25.05.2018

Donaukurier | Karl Leitner
 

1968 veröffentlichte der Baritonsaxofonist Pepper Adams das Album „Encounter“, das heute absoluten Kultstatus genießt. Jetzt, genau 50 Jahre später, steht Gary Smulyan aus New York, sein Nachfolger auf dem Bariton-Thron, auf der Bühne des Birdland Jazzclubs in Neuburg und macht die damalige Veröffentlichung zur Grundlage dieses mitreißenden Konzerts.

Seine Bandkollegen, der Tenorsaxofonist Ralph Moore, der Pianist Olivier Hutman, der Kontrabassist Stephan Kurmann und der Schlagzeuger Bernd Reiter übernehmen die einst mit Zoot Sims, Tommy Flanagan, Ron Carter und Elvin Jones besetzten Positionen und das Repertoire besteht zum überwiegenden Teil aus den damals auf Vinyl gepressten Stücken von Adams, Joe Henderson, Thad Jones und Duke Ellington. Das ist die nüchterne Faktenlage. – Das Konzert freilich ist alles andere als nüchtern, weiß Gott nicht. Ganz im Gegenteil. Unerbittlich angepeitscht von dem überragenden Bernd Reiter, entwickelt dieses Quintett im Laufe des Abends einen schier unglaublichen Drive. Der Druck ist körperlich spürbar, und wenn die beiden Bläser unisono, als „Twin Saxes“ sozusagen, die halsbrecherischen Themen messerscharf in den Saal donnern, dann ist das alles andere als ein laues Lüftchen.

Der Pianist lässt die Töne nur so heraussprudeln aus seinem Instrument, die Tongirlanden der beiden Saxofonisten ranken sich in atemberaubendem Tempo in die Lüfte, ergießen sich kaskadengleich über die ungläubig staunende Jazzgemeinde. Bei den Balladen, etwa bei „Nancy With The Laughing Face“, das Frank Sinatra einst für seine Tochter geschrieben hat, hat man ein klein wenig Zeit durchzuatmen, ansonsten aber tobt der Orkan. Auch wenn die beiden Bläser ihre Soli immer wieder in enormem Tempo angehen, wird das Ganze nie zum Selbstzweck. Die beiden haben nicht nur etwas zu sagen, sondern gestatten sich selbst dennoch genügend Zeit, die Räume, die ihnen die Arrangements bieten, auszuloten und mit immer neuen Ideen zu füllen.

Am Ende, bei Flanagan’s „Verdandi“, spielen sie sich in einem wahren Rausch. Jetzt ist die Band eine akustische Kraftmaschine, die bei optimaler Betriebstemperatur perfekt läuft und das Publikum schier mitreißt. Laut Smulyan liegt’s wohl auch an dem speziellen Ruf, den der Birdland-Jazzclub weltweit genießt. Schon vor dem Konzert sagt er: „Du kannst sogar bei uns zu Hause fragen, wen du willst. Alle kennen diesen Club, und alle sprechen nur mit allergrößter Hochachtung von ihm.“ Aus dem Munde eines Musikers, der immerhin jahrelang in den Bands von Dizzy Gillespie, Mel Lewis, Carla Bley und Dave Holland gespielt und die ganze Welt bereist hat, fürwahr ein riesiges Kompliment. – Das man freilich gerne zurückgibt. Ihr Konzert, Mr. Smulyan, war der Hammer!