Frank Chastenier Trio | 16.09.2022

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

An diesem Konzert im Birdland Jazzclub war manches ungewöhnlich. Der Bösendorfer-Flügel stand nicht wie sonst am linken Rand der kleinen Bühne, sondern war nach rechts bis an die Wand gerückt. Bandleader Frank Chastenier saß damit im Zentrum, seine Partner Tobias Backhaus (drums) und Christian von Kaphengst (Bass) konnten dem Mann am Klavier so buchstäblich auf die Finger schauen und waren ihm räumlich wie musikalisch sehr nahe.

Eine Äußerlichkeit, aber für die Qualität dieses Konzertabends bedeutsam. Chastenier ist ein Großmeister der leisen Töne, ein Poet und ein Philosoph am Klavier, er bringt seine oft sehr einfachen Melodien mit einer unglaublichen Intensität über die Rampe. Das macht etwas mit seinen Mitstreitern, die seine Hände oder auch die unnachahmlichen Kopfbewegungen ganz direkt beobachten und diese Art von Jazz-Kunst mit den Klangmöglichkeiten von Bass und Schlagwerk perfektionieren können.

Genau das machen diese Jazzer auf eine eindrucksvolle, fesselnde Weise. Oft ist es mucksmäuschenstill im Birdland-Keller, das Publikum genießt tiefenentspannt die Jazz-Balladen vom ersten bis zu letzten Ton. Und die Zuhörer gehen voll mit, wenn die drei Musiker etwa bei Bam bam bam von Ray Brown oder beim genialisch arrangierten „C’est si bon“ mit virtuosem Drive im so richtig loslegen.

Bandleader Chastenier ist ein gewaltiger Arrangeur vor dem Herrn. Wie er sich den Titel „Mensch“ von Herbert Grönemeyer, den Song „Wenn du schläfst, mein Kind“ von Manfred Krug oder eben den Welterfolg „C’est si bon“ für sein Trio aneignet und in eine neue, durchaus komplexe, aber auch von Leichtigkeit geprägte andere Welt verwandelt, lässt den Zuhörer immer wieder staunen.

Sich selbst nennt Chastenier einen „Derangeur“, mit schelmischer Selbstironie und ein wenig nach dem Motto „Nimm dich nicht so wichtig, Frank“. Derangiert freilich kommt bei dieser Musik gar nichts daher, von den Musikern selbst gar nicht zu reden. Chastenier nimmt von der Qualität der Originale absolut nichts weg, ein macht nichts kleiner oder gefälliger. Ganz im Gegenteil gibt er musikalische Substanz hinzu – freilich einer anderen, mutigen und gelegentlich gewagten Art. Daraus erwachsen auf der Birdland-Bühne musikalische Geistesblitze, bei denen sich das genaue Hinhören und das Mitdenken wirklich lohnen.

Chastenier hatte die Ehre, schon mit vielen Jazz-Größen zu spielen, auch mit der vor kurzem verstorbenen Klarinetten-Legende Rolf Kühn. Der Abend war in wichtigen Teilen auch ein künstlerisches Gedenken an diesen Klarinetten-Zauberer. Wenn man so will, lebt Kühn auch im Trio des Frank Chastenier weiter.