Emilio Solla Quartet | 24.11.2023

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Dieser Konzertabend im Birdland Keller war einer der besonderen Art. Es gab tollen Latin Jazz zu hören, aber über dem Ganzen lag auch eine etwas problematische Note.

Emilio Solla (Klavier), Pablo Martin Caminero (Bass) und Andres Litwin präsentierten sich als ein famoses Jazztrio in dieser klassischen Besetzung, die drei entfalteten eine hinreißende Welt des Flamenco und machten aus den Elementen argentinischen Volksmusik einen lockeren, zugleich aber komplexen, ganz eigenen Sound. Leidenschaft, Rhythmus, elegischer Grundton, Sehnsucht, manchmal auch Zorn und Anflüge von Verzweiflung – all diese Emotionen werden in dieser Musik unmittelbar erlebbar, mit virtuosem Können veredelt und mit großem Gespür für das richtige Maß.

Dazu kommt mit dem Vierten im Bunde, Antonio Lizana ein weiteres, entscheidendes Moment dazu, die menschliche Stimme. Und, oft im fliegenden Wechsel, das Saxofon als eine andere, intensivere und verfremdete Art des hochemotionalen Gesangs.

Die Art dieses Sängers scheidet die Geister. Das war im Birdland auch an Kleinigkeiten zu erkennen. Nach den eigentlich mitreißendem Melodien und Songs war ein entsprechend stürmischer, langer und sehr lauter Beifall zu erwarten. Der Applaus kam kräftig, aber doch ein wenig gebremst, zumindest von großen Teilen des Publikums.

Daran zeigte sich, dass dieser Sänger, bei aller Leidenschaft und bei allem Einsatz, auch eine irritierende Seite hat. Die Emotion war mit einem Übermaß an physischer Kraft aufgeladen, was eben etwas anderes ist als musikalische Stärke. Antonio Lizara bewegte sich nicht selten im Grenzbereich zwischen Singen und Schreien, zwischen Musik und Geräusch. Das geht zu Lasten der musikalischen Eleganz.

Insgesamt war dieser Abend aber reich an musikalischen Edelsteinen. „Tango Changes“, eine Eigenkomposition von Emilio Solla, glänzte mit schwerelosem, schwebendem Sound, mit lockeren, überraschenden Volten hin zu ganz neue Stimmungen. Klavier, Bass, Saxofon und Schlagzeug gönnen sich hier ein konzentrierten und witzig-fröhliches musikalisches Geschenk. An sich selbst und ans Publikum.

Diese vier Jazzer können Geschichten auf eine brillante Weise erzählen. Was sie aus der Tradition des Flamenco mit den scheinbar einfachen Melodien hervorzaubern, wie sie diese Musik auf eine ganz andere Ebene hinaufheben, das ist große Kunst. „Vidalita Buenos Aires Blues“ steht dafür idealtypisch.

Emilio Solla auf dem Bösendorfer-Flügel und Martin Caminero am Kontrabass bauen über etliche Minuten einen unglaublich dichten, hochintelligenten Dialog auf. Es beginnt mit ein paar scheinbar nebenbei hingeworfenen Tönen, entpuppt sich aber immer mehr als ein Sound, der das Publikum in diese Welt regelrecht hineinzieht. Schlagzeug und Saxofon spielen sich in diesen grandiosen Blues raffiniert hinein. Jeder darf reichlich alleine glänzen, aber jeder weiß auch, dass es auf das Gesamtkunstwerk Quartett ankommt. Das ist musikalische Stärke, ohne überschießende Kraft und spürbare Anstrengung.