Ellington now! | 19.09.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

„Bei Ellington weiß man nie, was passiert“, sagt der Altsaxo­fonist Michael Hornstein, der zusammen mit seinem Partner Oliver Hahn am Kla­vier sich anschickt, auf der Bühne des Birdland Jazzclubs, mit musikalischen Mitteln einzudringen in das Erbe Duke Ellington’s und vorzudringen zum Kern des vermutlich größten Giganten des Jazz überhaupt.

Man weiß vor allem auch deswegen nicht, was bei Stücken wie „Caravan“, „Isfahan“, „In A Sentimental Mood“ und „It Ain’t Mean A Thing“ passieren wird, weil die beiden als Medium für ihre Be­schäftigung mit diesem genialen Musi­ker, Komponisten, Arrangeur und Säu­lenheiligen des Jazz die Form des Duos gewählt haben. Dieses Format, bei dem – sofern die Improvisation im Zentrum des Interesses steht wie in diesem Fall – es kein Verstecken gibt, jeder eigene Ideen entwickeln und einer auf den anderen eingehen muss, musikalische Korrespondenz unabdingbare Vorausset­zungen für den Erfolg ist, ist an sich be­reits spannend wie kein zweites. Wenn dann noch zwei Musiker dieses Kalibers zusammentreffen, sprühen die Funken.

Natürlich ist es von Vorteil, wenn man das Original der Stücke kennt und somit einen Vergleichspunkt hat zu dem, was an diesem Abend passiert. Manche Num­mer ist, nachdem Hornstein und Hahn sich auf sie gestürzt haben, fast nicht mehr wiederzuerkennen, bei manchen mach der Grad der Variation den Unter­schied aus. Beider Vorhaben mit dem Programmtitel „Ellington Now!“ ist ein Wagnis, als Ergebnis gibt es keine end­gültige Wahrheit darüber, was zu passie­ren hat, aber immense Möglichkeiten, was passieren könnte.

Zwischen Hornstein und Hahn herrscht eine ganz besondere Chemie. Eine vorab festgelegte Rollenverteilung scheint nicht zu existieren, wohl aber auf beiden Seiten ein untrügliches Gespür dafür, was an einem ganz bestimmten Moment zu tun oder zu lassen ist. Hier werden in einem Fort Ideen weitergereicht, weiter­entwickelt, hier herrscht fortwährender Gedankenaustausch, hier kommentiert einer den Einfall des anderen, kann einer die Reaktion des Partners scheinbar mü­helos voraussehen. Hier verstehen sich zwei Persönlichkeiten anscheinend blind.

Als Zuhörer in dieses energetisch auf­geladene Spannungsfeld, in diesen per­manenten Kreativprozess mit eingebun­den zu sein, ist absolut fesselnd. Manch­mal fällt einem die Teilnahme leicht, manchmal ist man irritiert, manchmal ahnt man, was im nächsten Moment pas­sieren wird, manchmal wird man regel­recht überrumpelt. Aber wie es auch sei, überaus spannend ist die Sache immer. Die gut zwei Stunden im Birdland verge­hen wie im Flug und am Ende verab­schieden sich zwei Musiker mit einem breiten Lächeln im Gesicht und der Ge­wissheit: Was heute hier im Birdland passiert ist, war erstklassig. Nicht um­sonst müssen sie dann noch zwei Zuga­ben geben. Es hätten sogar noch ein paar mehr sein dürfen.