Das Leben ist wie ein Kreis. Irgendwann kommt jeder wieder dorthin, wo alles begann. Als der junge Dusan Goykovich in den Wirren des zu Ende gehenden Zweiten Weltkriegs, nach der Flucht vor den Partisanen, der Internierung in einem italienischen Lager seine Liebe zur Musik entdeckte, da bot ihm das Radioorchester Belgrad eine erste künstlerische Heimat. Der Rest ist Jazzgeschichte. Aus Dusan wurde Dusko – und damit einer der wenigen noch lebenden Superstars dieser Musikgattung, der mit Heroen wie Sonny Rollins, Stan Getz oder Dizzy Gillespie auf Augenhöhe agierte.
Dass Dusko Goykovich heute, im gesegneten Alter von 87 Jahren, immer noch spielt wie (fast) ein Junger, ist sowieso ein kleines Wunder. Und dass er im Audi Forum Ingolstadt mit der RTS Radio Big Band Belgrad exakt wieder auf dieselbe Formation traf, mit der alles 1948 begann, eine mehr als glückliche Schicksalsfügung. Die wichtigste Botschaft, die sich nach jedem Goykovich-Konzert zwangsläufig vor selber stellt, beantwortet sich bereits nach den ersten Takten: Er kann es noch immer! Kein Bruch in der Phrasierung, keine Verschiebungen im Ansatz. Goykovich gleitet mit traumwandlerischer Souveränität durch geschmeidige Tutti-Passagen, schickt eine Reihe von flink-boppenden Soli über die Rampe, bei der man allenfalls im Ansatz merkt, dass sein Ton nicht mehr lichterloh „brennt“, sondern eher cooler, gelassener geworden ist. Und die Länge seiner Einsätze beschränkt sich auf einige Features. Ein Tribut an das Alter? Eher ein Bonus für einen ganz Großen!
Natürlich hat die aktuelle Bigband aus der Metropole Serbiens nur mehr den Namen mit jenem Klangkörper gemein, der Dusko einst als Startrampe seiner atemberaubenden Karriere diente. Aber dass die überwiegend jungen Musiker es als große Ehre empfinden, mit ihm auf einer Bühne stehen zu dürfen, wird in jedem Stück deutlich. In Goykovichs Komposition „Re.Bop“, die er Birdland-Chef Manfred Rehm gewidmet hat, darf zum Beispiel Dragoslav „Freddie“ Stanisaljevic den Battle-Partner für den Mann geben, der getrost sein Großvater sein könnte. Die Rollen sind schnell verteilt: Der Junge übernimmt die High-Note-Attacke-Passagen, der junge Alte kontert mit dunklen, immer noch sehr beweglichen, eleganten Intermezzi. Ein klassisches Unentschieden, nach dem sich Stanisaljevic ehrfürchtig vor Goykovich verbeugt.
Und dann gibt es da noch die berühmten Balladen mit der mild glimmenden, durch einen Dämpfer katalysierten Trompete, die keiner so perfekt beherrscht wie er. Dass die „Ballad For Miles“, eine Hommage an Goykovichs großes Vorbild und seinen Freund Miles Davis, wieder einmal eine kollektive Gänsehaut im Audi Forum erzeugt, gehört zu den besonderen Momenten eines besonderen Abends. Die RTS Big Band erweist sich weniger als berstendes Kraftwerk, sondern vielmehr als stiller, kontrollierter Brüter, aus dem vor allem Bassist Goran Potic, Schlagzeuger Petar Radmilovic und Tenorsaxofonist Ljubisa Paunic hervorstechen.
Sie alle passen zu Goykovich und passen sich an. Dass sich die Legende dabei Pausen nimmt, nicht mehr toujours von der ersten bis zur letzten Sekunde des Konzertes bläst, ist gut so, auch wenn er bei Zugabe gerne noch auf die Bühne gekommen wäre. Einer wie Dusko ist ein kultureller Schatz, den es zu hegen und zu pflegen lohnt!