Der Fluch, ein junger, ehrgeiziger Jazzmusiker zu sein: du mußt etwas finden, das das Interesse der Öffentlichkeit weckt, die eigene Karriere möglichst schnell auf Trab bringt. Um nicht von vorne herein auf der Verliererseite zu stehen, stürzt sich der Nachwuchs deshalb oft und gerne auf populäre Vorbilder, kopiert diese und hofft so auf den gewünschten Erfolg.
Den risikoreichen Weg der Individualität wählen die wenigsten. Aber was soll ein absolut begabter Trompeter wie Duane Eubanks auch anderes tun, noch dazu, wenn er einen derart „belasteten“ Familiennamen trägt? Seine Brüder Kevin und Robin sind seit vielen Jahren ausgemachte Stars des Genres, der eine als veritabler Gitarrist und Orchesterleiter bei Jay Lennos „Tonight Show“, der andere als vielbestaunter Trendsetter an der Posaune. Zudem heißt der Onkel Ray Bryant, eine Legende des Blues- und Bebop-Pianos. Armer Duane! Zum Raketenstart gibt es so gut wie keine Alternative.
Also wählt der 29jährige für seine Debüt-CD und das Konzert im Neuburger „Birdland“-Jazzclub das probate Mittel des Wiedererkennungseffektes. Dabei erklingt eine unverkennbare Nuance der feurigen Substanz, der voluminösen Growls eines Freddie Hubbard in „Blues For Duane“, eine geschmeidige Nummer, die das große Alter Ego höchstpersönlich seinem potentiellen Thronfolger auf den athletischen Leib schrieb. In postmodernen Kompositionen wie „Claire Voyance“ preßt die Trompete pendelnde Harmoniebögen zwischen metallener Gleichförmigkeit und lyrischer Intensität heraus, die augenscheinlich von Woody Shaw entliehen sind. Alles technisch makellos, aber so originell wie eine Blaupause.
Einzig gedämpft intonierte Balladen wie „Little B`s Poem“ öffnen Duane Eubanks kurzzeitig einen winzigen Spalt in Richtung Eigenständigkeit. Mit kraftvollen Linien voll dunkler Eleganz weiß der Hoffnungsträger seiner schrillen, fast zu selbstbewußt auftretenden Begleitband hier durchaus Imponierendes entgegenzusetzen. Zweifellos eine weitere Fußangel für Newcomer: wenn nämlich keine sorgsam austarierte Mischung zwischen Kongenialität und Profillierungsdrang bei der Wahl der Sidemen gelingt, so wirkt der Leader mitunter nur wie schmückendes Beiwerk. In Neuburg sah sich Eubanks von Orrin Evans, dem wieselflinken Jahrhunderttalent am Piano, und Ralph Peterson, dem omnipräsenten Muskelprotz am Schlagzeug, trotz tapferer Gegenwehr recht schnell ins akustische Abseits bugsiert.
Während sich Bassist Reid Anderson trotz seiner verschlungenen Struktur weitgehend an die dienenden Vorgaben hielt, nützte der Rest der Crew das Konzert unverblümt zur Selbstdarstellung. Der erst 23jährige Evans als Mann der Zukunft mit uhrwerkgleicher Linker, rauher Attacke und erstaunlicher Gestaltungskraft. Peterson als gnadenloser Antreiber mit lokomotivartigen Besenshuffeln und knallharten, mit der Urgewalt von kleinen Explosionen auf die Snare niedergehenden Fills, die ihn nicht zum ersten Mal wie einen völlig von den Ketten gelassenen Viagra-Drummer erscheinen ließen.
Eubanks konnte blasen was und wie er wollte – den stärksten Beifall heimsten immer die anderen ein. Eine fürwahr bittere Lektion, die einem Jungspund manchmal aber auch schlagartig die richtige Richtung weisen kann.