Doug Weiss Quartet | 09.02.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Doug Weiss, Kontrabas­sist mit zwei Wohnsitzen in New York und Berlin, war bislang der perfekte Sideman. In dieser Funktion kennt man ihn auch im Birdland in Neuburg, wo er mit Al Foster, Peter Bernstein, Mark Tur­ner und Marc Copland zu Gast war. Nun hat er erstmals eine eigene Band mit ei­genem Programm zusammengestellt. Und damit einen absoluten Volltreffer gelandet.

Zur Band gehören neben ihm selber Belá Meinberg aus Berlin am Klavier, Ori Jacobson aus TelAviv an Sopran- und Tenorsaxofon und Jordan Dinsdale aus dem englischen Leeds am Schlag­zeug. Es handelt sich dabei um ein Kol­lektiv aus gleichberechtigten Musikern. Ohne diese Vorgabe, nach der alle Betei­ligten gleichen Anteil am Ablauf des Programms haben, würde die Sache nicht funktionieren, denn hier werden nicht – bis auf einen in der ersten von zwei Zugaben – wieder mal altbekannte Standards gespielt, sondern in der Haupt­sache Weiss‘ höchst komplexe Eigen­kompositionen mit ständigen Takt und Rhythmuswechseln, in denen die Eins ständig ihre Position verändert, das Tem­po urplötzlich anzieht oder völlig uner­wartet mal eben die Handbremse ange­zogen wird. Beispiele sind das grandiose „Numbers And Signs“, mit ständig alter­nierendem Beat, das von Al Foster als Dank für Weiss‘ Dienste über viele Jahre geschriebene „For Douglas“ oder auch Paul Chambers‘ „Ease It“, das Weiss an­legt, als befinde er sich auf einer Pass­straße voller Haarnadelkurven mit im­mensen Steigungen und enormem Gefäl­le.

Er liebe es, sagt er, mit den Rhythmen, den Tempi und mit Taktwechseln zu spielen. Dass er diese Vorliebe vermittels seiner Eigenkompositionen auch hör- und erlebbar macht, dass die Band traumhaft sicher mitzieht und dass er es so souverän hinkriegt, das Konzept auch noch auf die Adaptionen auszuweiten, ohne dabei je den Groove, den Flow, mitunter auch den Swing alter Schule zu vernachlässigen, macht das Konzert zu etwas ganz Besonderem. Nur ein Bei­spiel dafür ist Irving Berlin’s „Dancing Cheek To Cheek“. Nachdem während der Pandemie ja tänzerische Aktivitäten verboten waren und alle darüber traurig waren, transponiert Weiss den Song eben mal kurz von Dur nach Moll und macht eine ganz neue Nummer daraus. Ähnlich ergeht es dem „Soft Pedal Blues“ von Stanley Turrentine, Jaco Pastorius‘ „Three Visions Of A Secret“ und Thelo­nious Monk’s „Rhythm-A-Ning“, das das Weiss’sche Konzept ja bereits irgendwie vorwegnahm.

Zugegeben, man hatte von Doug Weiss vorab zwar ein grundsolides Konzert er­wartet, aber nicht diesen Hammer, einen fast schon spektakulären Auftritt wie die­sen von einer Band, die anscheinend auf den Punkt absolut rund läuft und fit ist. Was aber andererseits durchaus erklärbar ist. Alles, was an diesem Abend zu hören ist, wird auf dem in Bälde zu erwarten­den Album vertreten sein. Zu diesem Zeit­punkt, kurz vor dessen Vollendung, nach vielfältigen Proben, sitzt das Reper­toire natürlich perfekt, um so mehr, als hier vier exzellente Teamplayer am Wer­ke sind, die gleichzeitig auch noch als höchst bemerkenswerte So­listen brillie­ren. Das Publikum gou­tiert das und for­dert ganz zurecht vehement nach zwei Zu­gaben. – Das Doug Weiss Quar­tet: Eine der gro­ßen Überraschungen der bis­herigen Bird­land-Saison.