Doug Weiss, Kontrabassist mit zwei Wohnsitzen in New York und Berlin, war bislang der perfekte Sideman. In dieser Funktion kennt man ihn auch im Birdland in Neuburg, wo er mit Al Foster, Peter Bernstein, Mark Turner und Marc Copland zu Gast war. Nun hat er erstmals eine eigene Band mit eigenem Programm zusammengestellt. Und damit einen absoluten Volltreffer gelandet.
Zur Band gehören neben ihm selber Belá Meinberg aus Berlin am Klavier, Ori Jacobson aus TelAviv an Sopran- und Tenorsaxofon und Jordan Dinsdale aus dem englischen Leeds am Schlagzeug. Es handelt sich dabei um ein Kollektiv aus gleichberechtigten Musikern. Ohne diese Vorgabe, nach der alle Beteiligten gleichen Anteil am Ablauf des Programms haben, würde die Sache nicht funktionieren, denn hier werden nicht – bis auf einen in der ersten von zwei Zugaben – wieder mal altbekannte Standards gespielt, sondern in der Hauptsache Weiss‘ höchst komplexe Eigenkompositionen mit ständigen Takt und Rhythmuswechseln, in denen die Eins ständig ihre Position verändert, das Tempo urplötzlich anzieht oder völlig unerwartet mal eben die Handbremse angezogen wird. Beispiele sind das grandiose „Numbers And Signs“, mit ständig alternierendem Beat, das von Al Foster als Dank für Weiss‘ Dienste über viele Jahre geschriebene „For Douglas“ oder auch Paul Chambers‘ „Ease It“, das Weiss anlegt, als befinde er sich auf einer Passstraße voller Haarnadelkurven mit immensen Steigungen und enormem Gefälle.
Er liebe es, sagt er, mit den Rhythmen, den Tempi und mit Taktwechseln zu spielen. Dass er diese Vorliebe vermittels seiner Eigenkompositionen auch hör- und erlebbar macht, dass die Band traumhaft sicher mitzieht und dass er es so souverän hinkriegt, das Konzept auch noch auf die Adaptionen auszuweiten, ohne dabei je den Groove, den Flow, mitunter auch den Swing alter Schule zu vernachlässigen, macht das Konzert zu etwas ganz Besonderem. Nur ein Beispiel dafür ist Irving Berlin’s „Dancing Cheek To Cheek“. Nachdem während der Pandemie ja tänzerische Aktivitäten verboten waren und alle darüber traurig waren, transponiert Weiss den Song eben mal kurz von Dur nach Moll und macht eine ganz neue Nummer daraus. Ähnlich ergeht es dem „Soft Pedal Blues“ von Stanley Turrentine, Jaco Pastorius‘ „Three Visions Of A Secret“ und Thelonious Monk’s „Rhythm-A-Ning“, das das Weiss’sche Konzept ja bereits irgendwie vorwegnahm.
Zugegeben, man hatte von Doug Weiss vorab zwar ein grundsolides Konzert erwartet, aber nicht diesen Hammer, einen fast schon spektakulären Auftritt wie diesen von einer Band, die anscheinend auf den Punkt absolut rund läuft und fit ist. Was aber andererseits durchaus erklärbar ist. Alles, was an diesem Abend zu hören ist, wird auf dem in Bälde zu erwartenden Album vertreten sein. Zu diesem Zeitpunkt, kurz vor dessen Vollendung, nach vielfältigen Proben, sitzt das Repertoire natürlich perfekt, um so mehr, als hier vier exzellente Teamplayer am Werke sind, die gleichzeitig auch noch als höchst bemerkenswerte Solisten brillieren. Das Publikum goutiert das und fordert ganz zurecht vehement nach zwei Zugaben. – Das Doug Weiss Quartet: Eine der großen Überraschungen der bisherigen Birdland-Saison.