Gleichberechtigung im Jazz? Bis vor wenigen Jahren undenkbar. Dort, wo Frauen lange Zeit nur als ausschließlich singender optischer Farbtupfer im aparten Abendkleid geduldet waren, zeichnet sich langsam ein Wertewandel ab. Immer mehr Musikerinnen lassen sich vom traditionell maskulinen Chauvinismus nicht mehr abschrecken, brechen in die Welt des Saxophons, des Basses oder des Klavieres ein und stehen dort „ihren Mann“.
Vielleicht liegt dieses gewachsene Selbstbewußtsein ja auch an jüngeren Damen wie Diana Krall, die immer wieder eindrucksvoll beweisen, daß eine steile Karriere sogar dann möglich ist, wenn keines der gängigen Jazzklischees zutrifft. Denn wer würde allen Ernstes hinter einer blonden, blauäugigen Kanadierin mit deutschstämmigen Eltern eine derart rauchige, verruchte und „schwarze“ Stimme vermuten, wie sie die Sängerin/Pianistin am vergangenen Freitag in einem zweieinhalbstündigen Gig der gehobenen Kategorie im Neuburger Birdland-Jazzclub zu Gehör brachte? Daß der vierte Künstler der inzwischen in ganz Europa erfolgreichen „Rising-Star“-Serie zudem über ein vortreffliches Händchen sowie einen ansteckenden Groove an den 88 schwarzweißen Tasten verfügt, komplettiert das Bild von der emanzipierten Jazzerin, die in allererster Linie wegen ihrer Fähigkeiten akzeptiert werden will.
Diese bewegen sich in unmittelbarer Erbfolge des gefeierten Entertainers Nat „King“ Cole, auch wenn Diana Krall die Showelemente dankenswerterweise zugunsten einer tieferen musikalischen Aussage vernachlässigt. Nicht umsonst kredenzte die Kanadierin deshalb im Hofapothekenkeller jede Menge Homagen an den „Godfather“ der Sänger-Pianisten: das hüpfend-funkige „Frim Fram Sauce“, das elegant swingende „Gee Baby, Ain`t I Good to You“ oder das ausgelassen boppende „Hit That Jive Jack“.
Kralls höchst originelles Klavierspiel kommt sperrig verknotet und nostalgisch zugleich, wobei die Entwirrung der Harmonien zum faszinierenden Mysterienspiel gerät. Wesentlichen Anteil an der dabei erzeugtem „blauen“ Stimmung im Birdland besaß der ausgesprochen kommunikative, delikat marschierende Bassist Paul Keller, der sich fliegend in der Rhythmusführung mit der linken Hand der Pianistin abwechselte. Als echte Überraschung muß Schlagzeuger Guido May bezeichnet werden. Der erst 24jährige Münchner war kurzfristig eingesprungen und erwies sich mit variablem, einfühlsamem Drumming als neues, hoffnungsvolles Talent der süddeutschen Szene.
Diana Krall selbst schaffte es schließlich, den Zuhörern mit Hilfe von Mays filigranen Besen bei Balladen fast bedrohlich nahe auf die seelische Pelle zu rücken. Stücke wie „Boulevard Of Broken Dreams“ oder „If I Had You“ leben ausschließlich von ehrlicher Emotion, ergreifendem Feeling und ihrem Gänsehaut-Timbre, das manchmal sogar wie wilder Honig mit einem Schuß Scotch schmeckt.