Cécile Verny Quartet | 12.01.2018

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wenn sie sich auf einer Bühne besonders wohl fühle, singe sie am liebsten barfuß, sagt Cécile Verny. Und schon fliegen ihre Slingpumps in die Ecke. Für zwei Konzerte ist sie mit ihrer Band im Birdland zu Gast, und zumindest beim ersten – denn von ihm ist hier die Rede – zieht sie, sobald sie sich der Schuhe entledigt hat, alle Register. Vermutlich könnte man ihr an diesem Abend auch das Telefonbuch ihrer Geburtsstadt Abidjan vorlegen, und das Ergebnis wäre immer noch großartig.

Es gibt Momente, in denen einfach alles passt. Dies ist so einer. Cécile Verny ist – je nachdem, was die jeweilige Komposition verlangt – sinnliche Jazzdiva, stimmgewaltige Gospelsängerin, von Emotionen gebeutelte Soullady oder – wie bei dem wuchtigen „To Thomas Butts“ im Bo Diddley-Groove kurz vor der Pause – alles in Grund und Boden singende Bluesmama. Welche Rolle sie für sich auch beansprucht, jede füllt sie mit Bravour aus, in jeder ist sie überragend.

Um derart Großes zu vollbringen wie Verny an diesem Abend, ist es nicht nur entscheidend, wie man singt, sondern auch was man singt. Immer wieder nimmt sie sich Gedichte des englischen Lyrikers William Blake vor, deren Vertonung freilich liegt in den Händen ihrer Bandmitglieder. Andreas Erchinger (Klavier, Keyboards), Bernd Heitzler (Kontrabass, E-Bass) und Lars Binder (Schlagzeug, Perkussion) sind nämlich nicht nur überaus versierte Musiker, sondern auch exzellente Komponisten und Arrangeure. Die pure Energie hinter der Blake-Adaption „Holy Thursday“, der fragile Habitus bei „Poison Tree“, schließlich der relaxte Funk-Groove bei „The Wild Heart Of The Dark“ – jede dieser Nummern sind kleine kompositorische Meisterwerke. Wobei Andreas Erchinger ein besonderes Händchen für Balladen zu haben scheint. Er geht mit ihnen nicht nur in harmonischer Hinsicht absolut unübliche Wege, sondern legt sie auch so an, dass sie sich in ihrem Verlauf unaufhörlich steigern bis zum fulminanten Schlussakkord, so dass man als Zuhörer nur begeistert sein kann. Und dann dazu noch Cécile Verny, die mit ihrer Energie und ihrer Bühnenpräsenz den Songs eine ganz persönliche Aura, ja, geradezu eine Art Magie, verleiht – das ergibt dann eine musikalische Sternstunde wie diese.

Pop, Soul, Gospel, Blues: Cécile Verny hat das alles drauf, unterlegt es aber immer mit einem Hauch von Jazz. Was ja nicht die schlechteste Methode ist, Stücke zu veredeln, die auf den ersten Blick gar nicht Jazz sind. Nicht umsonst holten sich Mainstream-Stars wie Sting, Paul Simon oder Donald Fagen immer wieder komplette Jazzbands ins Studio oder auf die Bühne und produzierten mit ihnen herrlich relaxten AOR-Pop. Cécile Verny steht mit ihnen in einer Reihe, und lebte sie statt in Freiburg in New York, wäre sie wohl längst ein Weltstar.