Was für ein herrlich duftendes, wohlschmeckendes und lange nachwirkendes Gebräu, welch energetische und doch so leichte Musik, die uns da an diesem Abend im Birdland Jazzclub in Neuburg angeboten wird.
Die Zutaten? – Luciano Biondini, umbrischer Virtuose am Knopfakkordeon, Michel Godard aus dem französischen Héricourt an allem, was tiefe Töne hervorbringt, und Lucas Niggli am Schlagzeug, der das Kunststück fertig bringt, kraft- und druckvoll zu spielen und gleichzeitig doch so überaus zart und dezent. Jeder der drei komponiert, was auf den beiden bislang einzigen gemeinsamen Tonträgern „What It Is And What Is Not“ von 2011 und „Mavi“ von 2013 dokumentiert ist. Aus diesen Quellen stammen alle Stücke des Abends, auch die neu arrangierte Adaption „Unrequited“ von Brad Mehldau und die als Zugaben zu hörenden „Bluesette“von Toots Thielemans und Georg Friedrich Händels „Lascia Ch’io Pianga“.
Die passenden Zutaten sind das eine, was der Koch, besser gesagt, die drei Köche aus ihnen machen, das andere. Psychedelische Sounds inklusive der dafür typischen Läufe auf dem headless E-Bass, die sich plötzlich in Richtung italienische Folklore davonschleichen, der harte Balkan-Beat gleich zu Beginn bei „Prima Del Cuore“, die Klangcluster bei „Dreaming Dancers“, die sich allmählich in einen Reggae verwandeln, die Collagen bei „Ansencia“ und „Mavi“, die in jazzig groovenden Mainstream münden. Jede Nuance stimmt, hinter jeder Weggabelung stößt man auf eine neue Überraschung. Was für eine herrliche Gewürzmischung, was für ein Genuss zwischen Stringenz und Improvisation, zwischen Intensität und Leichtigkeit, zwischen Komplexität und Durchsichtigkeit, zwischen Experimentierlust und festem Konzept.
Jedem der Köche gebührte eine Haube. Mindestens eine. Für Biondini gibt’s nur ein Wort: Virtuos. Godard bedient nicht nur den E-Bass, sondern auch eine türkisfarben gespritzte Tuba – was Nils Landgren mit seiner roten Posaune macht, kann er schon lange – und schließlich deren Vorläufer, den heute historischen Serpent. Und Niggli kontrolliert den Eintopf, der natürlich ob seiner ungeheuren Vielfalt gar keiner ist, sorgt für die Hitzezufuhr, die vonnöten ist, ihn am Kochen, Köcheln oder Blubbern zu halten ohne zu erkalten oder überzukochen.
Die lyrischen Passagen, die genauso wichtig sind wie die lebhaften, in denen imaginäre Bilder produziert werden, sich der Horizont nach hinten verschiebt und weitet und den Blick frei macht in die Ferne, über Berge oder übers Meer, kommen einem irgendwie bekannt vor. Würde hier nicht immer wieder nach Art erfahrener Jazzer improvisiert, schliche sich an solchen Stellen die Musik des Pixner Projects klammheimlich ins Bewusstsein, wobei beide natürlich einen völlig anderen Ansatz verfolgen, Herbert Pixner den alternativ-alpinen, dieses Trio hier im Birdland den des in alle Richtungen offenen Modern Jazz, in denen Regionen, die Klangfarben der Instrumente und musikalische Epochen so überaus originell zusammengeführt werden. – Am Ende ist der Abend viel zu kurz. Man hätte so gerne noch so viel mehr gehört aus diesem Schmelztiegel. Man fülle ihn bitte möglichst bald neu. Nachschlag unbedingt erwünscht!