Ein Abend für Nostalgiker und solche, die der ungebrochenen Lebenskraft des klassisch swingenden Jazz Tribut zollen wollen: Mit seiner unnachahmlich flüssigen Linienführung entzückte der Trompeter Benny Bailey einmal mehr das Publikum im Birdland Jazzclub. Der Altmeister sprudelte nur so vor Spielfreude und swingender Phantasie. Obwohl inzwischen 78jährig gebricht es ihm weder an Vitalität noch an Leidenschaft oder Humor.
Wer den Jazztrompeter Benny Bailey live sieht, macht sich zunächst einmal Sorgen um den Mann, dessen seitlich geneigte Kopfhaltung in abenteuerlicher Weise gesundheitsschädlich sein müsste. Ist sie jedoch offenbar nicht, denn erstens kennen ihn seine Fans seit Jahrzehnten nicht anders, und zweitens zeugt die musikalische Qualität der Darbietungen des 78jährigen von seiner völlig intakten physischen wie psychischen Konstitution. Sein Reich sind die Standards des Great American Songbook und des frühmodernen Jazz der 52. Straße, denen er sich in Liebe und lebendiger Charakteristik widmet. Benny Bailey verfügt im Idiom von Swing und Bebop über eine immense Ausdrucksbreite, lässt weichen Balladen die Luft zum Atmen, gibt im up-tempo dem elegant unangestrengten Fluss der Linien den rechten Kick und bläst zuweilen in feuriger Attacke flammende Power aus dem Horn. Seine Phrasierung ist von geschmackvoll sinnfälliger Logik, sein Ton changiert zwischen sanft schimmernder Bläue und rotglühend zupackender Prägnanz.
Unterstützt wird Benny Bailey bei solchem Tun von einer ideal besetzten und ungemein wirkungsvoll agierenden Band. Puren swing der guten alten Zeit zaubern die vier weitaus jüngeren Mitstreiter in den Keller: Olaf Polziehn, der dem Bösendorfer in eloquenter Schwerelosigkeit zu Leibe rückt, und Lorenzo Petrocca, der die Gitarrentradition von Charlie Christian aus über Joe Pass bis ins heute trägt. Lorenzos Bruder Davide Petrocca sorgt am Bass gewohnt souverän für die rhythmische und harmonische Basis, während Armin Fischer am Schlagzeug swingt, was das Zeug hält. Und wenn Benny Bailey zum Schluss noch die „Pennies from heaven“ besingt, dann – spätestens dann – ist ein Dauerlächeln garantiert.