„Übermorgen ist Schluss. Dann ist diese Band Geschichte,“ sagt deren Chef Gebhard Ullmann zu Beginn des Konzerts seines Quintetts Basement Research. Nach 30 Jahren verabschiedet sich der Tenorsaxofonist und Bassklarinettist mit einer letzten kleinen Tour. Das Konzert im Neuburger Birdland Jazzclub ist das vorletzte überhaupt. Auf insgesamt acht CDs hat es das Ensemble in all den Jahren gebracht, und aus allen Phasen der Bandgeschichte gibt es Ausschnitte zu hören an diesem einzigartigen Abend, den vor allem jene im Publikum nicht so schnell vergessen werden, die Musikern gerne beim Experimentieren, beim Aufstoßen von Türen in weitgehend unerforschte Regionen zusehen und zuhören.
Fünf absolute Individualisten sind da zugange, fünf, die ihre anscheinend nie versiegende Abenteuerlust als Solisten wie auch im Kollektiv ausleben, sich Freiheiten herausnehmen, die selbst im Jazz selten sind, das Publikum bezirzen, vor den Kopf stoßen, zu diversen Trips einladen, zu akustischen Entdeckerreisen. Ullmann, der Organisator aus Berlin, der Brite Julian Argülles am Baritonsaxofon und die drei Amerikaner Steve Swell an der Posaune, John Hébert am Kontrabass und Gerald Cleaver am Schlagzeug spielen nicht völlig losgelöst von allen Regeln, sind keine Free Jazzer, sondern gehören zur Nachfolgeneration. Es stehen sogar Notenpulte auf der Bühne, die Bläser wuchten messerscharfe Themen, Motive, Riffs in den Raum, aus denen sich dann teils ausufernde Nummern ergeben mit ausnotierten Fixpunkten, an denen man sich orientieren kann. Die spontan zu Blöcken zusammengezogenen Einzelstücke wirken wie „Movements“, gehorchen Gesetzmäßigkeiten, wobei deren Einhaltung von Konzert zu Konzert zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führe, wie Ullmann sagt. „Jeden Abend kommt was anderes dabei heraus. Deshalb machen und lieben wir diese Musik,“ sagt er.
Das Konzert ist ein musikalisches Manifest für die Freiheit im künstlerischen Ausdruck, für das Hinwegfegen von Grenzen, auch von Regeln, außer von denen, die man sich freiwillig auferlegt hat. Deswegen münden freie Passagen, die den ersten Block charakterisieren, der in seiner Machart einen stellenweise an Carla Bleys Großwerk „Escalator Over The Hill“ denken lässt, später in griffigere Abschnitte, in Passagen, in denen Bass und Schlagzeug im Untergrund bedenklich brodeln, während die Bläser für die Eruptionen sorgen, wobei bis hin zum Gebrauch lediglich des Mundstücks bis hin zur Geräuschkulisse à la Albert Mangelsdorff natürlich alles erlaubt ist. Erstaunlich sind der Druck und die Intensität, mit der das alles geschieht, wohlgemerkt ohne jegliche akustische Verstärkung und – was im Quintett-Format ja auch ziemlich selten vorkommt – ohne jegliches Harmonieinstrument.
Bleibt die Frage, warum Ullmann dieses herausragende Ensemble auflöst. Zu viele anderweitige Projekte? Das Verlangen auf neue Herausforderungen? Oder doch, wie man im Programmheft lesen kann, die Lust auf „eine Art (Un-)Ruhestand“ mit 66 Jahren? Wie auch immer. Man wird weiterhin von ihm hören. Wer eine derart großartige Formation über so lange Zeit am Laufen hält, der hört sicherlich nicht einfach so auf.