Alfredo Rodriguez Trio | 24.02.2024

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Dieser Abend im war sehr ungewöhnlich. Das Publikum geriet manchmal außer Rand und Band, es herrschte eine Stimmung wie bei einem Rockkonzert im altehrwürdigen
Hofapothekenkeller. Etliche Songs wurde aus voller Kehle mitgesungen – und es wurde sogar rhythmisch mitgeklatscht, was für ein Jazzkonzert gewiss nicht typisch ist, sondern eher als Begleiterscheinung einer ganz anderen, leichtgewichtigen Art von Musik zu beobachten ist.

Es war also etwas los im Neuburger Birdland. Nicht nur, was die Reaktion des Publikums im bis auf den allerletzten Stehplatz gefüllten Kellergewölbe angeht. Auch musikalisch fällt das Alfredo Rodriguez Trio weit aus dem Rahmen, der normalerweise mit Mainstream oder Latin etikettiert werden kann.

Wann ist im Jazzclub schon ein Trio zu hören, dessen Songs von einem echten, nicht selbsternannten Pop-Titan wie Quincy Jones produziert werden, inklusive des
für diese Band genial arrangierten Michael-Jackson-Welthits „Thriller“? Und ziemlich selten treten auf der feinen Neuburger Bühne Gruppen auf, die mit ihrer Musik oft auch große Hallen mit Tausenden Zuhörern zum Kochen bringen können.

Wie die drei Exilkubaner das alles anstellen, ist ebenfalls mehr als ungewöhnlich. Die Spiellust der drei Jazzer/Rocker/Sänger ist schier nicht zu bändigen, sie bewältigen ihr Programm mit einem permanenten, ansteckenden, gelegentlich grell auflodernden inneren Feuer. Und Alfredo Rodriguez (Piano), Michael Olivera (Schlagzeug) und Yarel Hernandez (E-Bass) bilden ein Trio von derart starken musikalischen Kontrasten, dass einem manchmal die Luft wegbleibt.

Aus Songs wie „Ay Mama Ines“, „El manicero“, „Quizas, quizas, quizas“ und aus dem Latin-Schlager Guantanamera machen die drei musikalische und mentale Knaller. Der Teufelskerl am Bösendorfer-Flügel und der vorzügliche Schlagzeuger spielen dabei jedoch quasi in einer anderen Liga als der Dritte im Bunde, der Mann mit dem E-Bass.

Alfredo Rodriguez spannt auf dem Klavier eine unglaubliche Klangwelt auf. Manchmal meint man die wildesten Passagen einer großen Chopin-Etüde in beneidenswerter Leichtigkeit zu hören, manchmal eine tolle Kadenz aus einem romantischen Klavierkonzert: Dann wieder donnert er verwegene, herrlich schräge Akkordfolgen rauf und runter, oder er hebt in zuckersüße, aber nicht zu gefühlige melodische Regionen ab. Der Schlagzeuger Michael Olivera ist bei dieser kubanisch inspirierten, aber in alle möglichen anderen Welten ausgreifenden Musik auf dem gleichen Championsleague-Niveau dabei – feinfühlig, kraftvoll, mit blindem Verständnis für den Augenblick.

Yarel Hernandez am E-Bass sprüht von den dreien vielleicht am meisten vor Musik- und Lebenslust, er ist der Extrovertierteste. An musikalischer Sensibilität darf er aber noch zulegen. Nicht selten sind seine schrillen Tonfolgen auf dem E-Bass unangenehm übersteuert, auch mit der Lautstärke und dem exzessiven Vibrato könnte er vorsichtiger umgehen.

An einigen Stellen hätte man sich in diesem Trio statt einem E-Bass einen starken, vitalen Kontrabass gewünscht. Das Konzept der extremen Kontraste ist sicher effektvoll. Aber man darf es nicht übertreiben.