Die Auswahl der Songs an diesem Mainstream-Abend im Birdland Keller war ungewöhnlich. Und die Art, wie vor allem die Sängerin Zoe Francis und das Instrumental-Quartett mit Bandleader Jim Mullen die Songs präsentierten, war es auch. Zu hören waren selten aufgeführte Stücke aus den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts. Eine spannende Idee, Mainstream hier nicht als Neuinterpretation bekannter Standards zu verstehen, sondern als Rückkehr zu einer frühen Phase einer Haupt-Stilrichtung des Jazz.
Vor allem aber die Art, wie die Sängerin und ihrer vier Mitstreiter Jim Mullen (Gitarre), Wolfgang Kriener (Bass), Scotty Gottwald (Schlagzeug) und Stephan Holstein (Saxofon/Klarinette) diese Musik zum Klingen brachten, ist bemerkenswert. Zoe Mullen zeigte besonders im ersten Set eine sehr zurückhaltende, manchmal fast schüchtern wirkende Stimmführung, ihr Gesang hatte absolut nichts Dominierendes. Jeden Anflug dieser Art verbot sich Zoe Francis, ein angenehmer Zug im Vergleich mit anderen Sängerinnen und Sängern, die oft den Drang haben, sozusagen die 1. Geige zu singen.
Die zarte Stimmführung von Zoe Francis bedeutet aber auch, dass ihr bei Songs wie „Some way in the night“ oder „The early autumn“ die Ausstrahlung und der Strahlglanz fehlt, den auch diese Stücke aus der Jazz-Frühzeit gut vertragen würden. Ein Schuss mehr Emotionalität im gleichmäßig ruhigen Gesang wäre da kein Fehler gewesen. Im 2. Set, bei „Keep raining“ und in „Sunday in New York“ ging Francis mehr aus sich heraus, auch vom animierenden Spiele ihrer Instrumental-Kollegen motiviert.
Ein zweiter, sehr angenehmer Aspekt kennzeichnet den Stil diese Abends. Mullen, Kriener, Gottwald, Holstein und Francis musizieren wie eine Quintett-Einheit. Die menschliche Stimme wird oft instrumental geführt, die Instrumente wie eine menschliche Stimmer. Diese Verschmelzung äußert sich auch ganz direkt. Der feinfühlige Bassist Wolfgang Kriener singt leise und mit einer feinen Tenorstimme die gezupften Soli mit, zwei Oktaven höher als seine Kontrabass-Melodien – ein verblüffender Effekt. Bandleader Mullen bewegt seine Lippen, während er seine poetischen Soli zelebriert, ständig mit, als wolle er einen stummen Gesang hinzufügen.
Stephan Holstein spielt viele seiner Soli wie eine Arie, mit feinem, intensivem Ausdruck. Die Vortragsbezeichnung „cantabile“ (also instrumental, aber wie gesungen) wäre dafür genau richtig. Holstein und Mullen zeigen auf ihren Instrumenten, wie nahe sich Gesang und Instrumentalmusik sein können. Mit der Sängerin formen sie oft ein Trio (oder Terzett), bei dem für die Zuhörer die Grenzen zwischen Stimme und Instrumenten aufgehoben scheinen.
Dass ein Schlagzeuger nebenbei noch singt, das wäre dann doch zu viel verlangt. Aber Scotty Gottwald trägt zu der speziellen Welt dieser fünf Jazzer auch seinen Teil bei. Er arbeitet ganz selten mit den Sticks, die für die Knalleffekte zustänig wären, auch nicht mit der großen Trommel. Statt dessen setzt er seine bloßen Hände auf den drums ein, oder die Besen, die einen fast schon gesanglichen Klang erzeugen können. Mehr Emotion hätte sich mancher vielleicht gewünscht. Aber verfeinerte Power hat auch eine große Kraft.

