Engelbert Wrobel meets Tcha Limberger Trio | 25.10.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wenn man es recht bedenkt, ist das Birdland-Konzert des Tcha Limberger Trios, zu dem an diesem Abend der Klarinettist Engelbert Wrobel als Gast stößt, eine Reise in die Vergangenheit. Von den Kompositionen des Abends dürfte keine weniger als 80 Jahre auf dem Buckel haben, die völlig unverstärkte Musik, die nur in Clubs mit so hervorragenden akustischen Bedingungen wie dem Birdland möglich ist, lehnt sich an ihren Ur-Sound von einst an und man fühlt sich – obwohl natürlich niemand im Saal selbige wirklich erlebt hat – zurückversetzt in die Ära des New Orleans Jazz und des Harlem Swing. Oder vielmehr in die Vorstellung, die man von ihr hat.

Der Charme des Altmodischen durchweht das Birdland-Gewölbe, der aber hat überhaupt nichts Betuliches, Museales oder Verstaubtes an sich. Die mit dem Teufelsgeiger Tcha Limberger aus dem belgischen Brügge, dem Gitarristen Dave Kelbie aus London, Sebastien Giradot aus Paris am Kontrabass und dem nahe Köln lebenden Klarinettisten Engelbert Wrobel an der Klarinette international besetzte Band holt nämlich einige Preziosen im wahrsten Sinne aus der Versenkung, hievt sie in die Gegenwart und interpretiert Fats Waller, Sidney Bechet, Jelly Roll Morton und Django Reinhardt in neuen Arrangements, leidenschaftlich und mit Witz. Hier haben sich vier Herren gefunden, die ihre Musik lieben, für sie brennen und alles dafür tun, damit ihrem Publikum – das Birdland ist wieder einmal ausverkauft – ähnliches widerfährt.

Während der Mann an der Gitarre mit stoischer Ruhe den Beat vorgibt und der am Bass für die Erdung sorgt, während Wrobel kreiselt und wirbelt, dass es nur so eine Freude ist, bringt Limberger, der als Kleinkind sein Augenlicht verlor, das Kunststück fertig, zu singen und sich dabei selbst mit der Violine zu begleiten. Gitarre und Gesang, Piano und Gesang, das kennt man gemeinhin und ja, es gab auch mal einen Svend Asmussen. Aber gleichzeitig? Und dermaßen brillant? Nicht umsonst gilt Limberger als einer der wichtigsten Geiger des Gypsy Jazz und als Künstler, der jederzeit offen ist für das, was außerhalb der musikalischen Blase der traditionellen Musik der Sinti und Roma passiert, der seine Wurzeln in neue Arrangements verpackt, der die Melancholie der Manouche und den Groove der Metropolen kombiniert, der in Englisch und Romanes singt und sich mit Wrobel mitunter denkwürdige Duelle liefert.

Wenn die beiden Solisten sich gegenseitig jagen, necken, umgarnen und schließlich umarmen, ist das ein wahres Fest für alle, die auf Virtuosität und fintenreiche Läufe stehen. Wer hingegen einfach nur schwelgen, sich treiben lassen und genießen will, kann das bei Stücken wie Billy Eckstine’s „I Surrender Dear“, Billy Mayhew’s „It’s A Sin To Tell A Lie“ oder Jack Teagarden’s „Mysery And The Blues“ vortrefflich tun. Oder auch bei „I’ll Be Glad When You’re Dead“ oder „Someday You’ll Be Sorry“, Songs, die Herzschmerz, Trauer und Wut so kongenial in Einklang bringen. Vier Musiker, vier Kollegen, vier Typen arbeiten zusammen, dürfen dabei ihre individuelle Identität beibehalten und dienen doch einem gemeinsamen Ziel, dem Erhalt der Musik aus einer Ära, die zwar vermutlich auch nicht besser war als die unsrige, aber tolle Musik hervorgebracht hat. Heute wissen wir, dass sie zeitlos ist.