Wolfgang Lackerschmid „Trio 77“ | 11.06.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die Konkurrenz ist groß. In Rom wird die Fußball-EM eröffnet, draußen ist herrliches Biergartenwetter und endlich darf man sich wieder zu mehreren treffen. Es gäbe also durchaus Alternativen zu einem Besuch im Birdland Jazzclub. Doch alle Plätze, die laut Corona-Beschränkungen besetzt werden dürfen, sind auch besetzt, als der Vibrafonist Wolfgang Lackerschmid mit seinem „Trio 77“ dort zu Gast ist.

Er hat ein brandneues Album mit dem Titel „Summer Changes“ im Gepäck, das zwar erst am 16. Juli erscheint, im Birdland an diesem Abend aber bereits käuflich zu erwerben – und vor allem live zu hören – ist. Damit betreibt Lackerschmid zusammen mit dem Kontrabassisten Thomas Stabenow und dem Schlagzeuger Michael Kersting eine Art Erinnerungsarbeit. Die drei hatten bereits 1977 gemeinsame Aufnahmen gemacht, die damals wegweisend wurden für ihre jeweiligen Karrieren und jeden einzelnen bald in den Rang europäischer Spitzenklasse rückte.

Daraus rekrutiert Lackerschmid, der so herrlich grooven und zupacken, aber auch wunderschön fließende Sounds produzieren kann, sein Programm. Und aus dem weiten Feld zwischen dem Pop-Jazz von „One More Life“ und den höchst sonderbaren Geräuschen im von Thelonious Monk inspirierten „Orangutan“, zwischen Attila Zollers „A Thousand Dreams“, dem Frederic Chopin nachempfundenen „Lemon Moon“ und dem von Caterina Valente seinerzeit bekannt gemachten „Poinciana“, einem Ohrwurm, den zwar jeder kennt, von dem aber keiner weiß, dass er eigentlich von Nat Simon stammt.

Lackerschmid, bestens gelaunt schon allein deswegen, weil überhaupt wieder Live-Konzerte möglich sind, klärt sein Publikum über diese Tatsache auf und vermittels etlicher Geschichten und Anekdoten auch über all die Fakten, die hinter den anderen Stücken des Abends und deren Komponisten stehen. Natürlich hängt er damit auch ein klein wenig längst vergangener Abschnitte seiner eigenen Vita nach, aber wer sagt, dass das etwas Anrüchiges ist? Mehr noch: All diese markanten Riffs, diese hinreißenden Themen, für die Lackerschmid schon immer stand, müssen ganz einfach ab und zu wieder ans Tageslicht gezerrt werden. Noch dazu, wenn sie auf dermaßen zwingende Weise runderneuert wurden wie in diesem Fall und so trefflich ergänzt werden durch neues Material.

Wolfgang Lackerschmid und sein „Trio 77“ spielen Mainstream Jazz. Manch einem mag sogar die Vokabel „gefällig“ in den Sinn kommen. In diesem speziellen Fall ist die oftmals von Jazz-Hardlinern eher negativ benutzte Bezeichnung freilich ausdrücklich als Wertschätzung zu verstehen, denn Lackerschmid und seine Kollegen belegen mit jeder einzelnen Nummer, dass sich musikalische Klasse und künstlerische Substanz und der Aspekt des Wohlfühlens auf Seiten des Auditoriums keineswegs ausschließen. Im besten Fall gehen sie Hand in Hand. Das Trio 77 im Birdland war so ein Fall.