Gismo Graf Trio | 25.09.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Nein, Angelo Debarre, der französische Saitenzauberer, steht nicht wie angekündigt zusammen mit dem Gismo Graf Trio auf der Bühne des Neuburger Birdland Jazzclubs. Er muss­te wegen eines verspätet zugestellten Testergebnisses auf die Anreise aus dem Nachbarland verzichten. Und so erlebt das Auditorium im ausverkauften Club also einen Abend ohne Gaststar, ein „normales“ Konzert mit Gismo Graf (Sologitarre), Joschi Graf (Rhythmusgi­tarre) und Joel Locher (Kontrabass).

Aber was ist schon normal, wenn Gis­mo Graf erst einmal loslegt. Er ist nun mal zweifelsohne ein begnadeter Virtuo­se, der die beiden Sets hindurch mit enormer Geschwindigkeit die Finger lau­fen lässt und bei aller Rasanz doch so wunderschöne melodische Spannungs­bögen in das Gewölbe unter der ehemali­gen Hofapotheke zaubert, dass man nur noch hingerissen lauschen kann. Kaska­denartig ergießen sich Tongirlanden in den Raum, immer wieder sprudeln kunstvoll gestaltete Motive und Phrasen girlandengleich und glasklar aus dem Korpus und ein ums andere Mal sitzt man im Auditorium und kann nur stau­nen über diesen Ausnahmegitarristen, der hier zusammen mit seinen Kollegen ein wahres Feuerwerk des Gypsy Swing auf 16 Saiten abbrennt.

Wie ausnahmslos alle seiner Kollegen steht er in der Tradition des großen Djan­go Reinhardt, aber er übersetzt wie sonst nur wenige dessen Kompositionen auf höchst eigenständige Art ins 21. Jahr­hundert. Reinhardt’s „Belleville“, „What Kind Of Friend“ und der großartige, in der Version Grafs mit Zitaten nur so ge­spickte „Minor Blues“ sind denn auch die Eckpunkte des Programms. Aber weil er eben auch immer wieder gerne über den Tellerrand hinausschaut, into­niert er auch Dick Winfree’s „China Boy“ und ist dabei stellenweise einem Tommy Emmanuel sogar näher als Rein­hardt. Und als er dann auch noch anläss­lich der Eigenkompositionen „Festival Django“ zum Bossa Nova wechselt oder mit Michael Jackson’s „Liberian Girl“ zum Pop, ist endgültig klar. Bei aller Verwurzelung kennt dieses Trio keine Genregrenzen.

Während Joschi Graf wie ein Präzisi­onsuhrwerk die Richtung vorgibt, an die sich alle zu halten haben, wird Joel Lo­cher mit seinen ungemein flüssigen so­listischen Beiträgen zu Gismo’s Spar­ringspartner und ist lebender Beweis da­für, dass es grundfalsch ist, die Kontrab­assisten des Gypsy Swing lediglich als Begleitmusiker abzutun, was ja leider oft passiert. Und das Publikum? Das hält während jedes einzelnen Stückes des Konzerts kollektiv den Atem an. Um dann nach dem fulminanten Schluss je­weils ebenso kollektiv loszujubeln.

Dass Angelo Debarre lediglich einmal kurz geistig anwesend ist, als das Trio sein „Swing Chez Toto“ spielt, ist na­türlich schade, aber die Band ist an die­sem Abend derart hervorragend in Form, dass man sein Fehlen – wenn man ehr­lich ist – gar nicht wirklich bemerkt.