Walt Weiskopf fackelt nicht lange. Alle, die ihn schon mal live erlebt haben, wissen das. Ab dem ersten Ton gibt er Vollgas. Und die Musiker seines European Quartet unterstützen ihn dabei. Das sind in diesem Fall so ziemlich die Besten, die die dänische Jazzszene aktuell zu bieten hat. Carl Winter am Piano, Andreas Lang am Kontrabass und Anders Mogensen am Schlagzeug.
In der internationalen Jazzszene agiert der Tenorsaxofonist zwar in der ersten Reihe, spielte mit Buddy Rich und Frank Sinatra und ist aktuelles Bandmitglied von Steely Dan und der Donald Fagen Band, ist aber weitaus weniger bekannt als viele seiner Kollegen. Was eigentlich völlig unverständlich ist, denn Weiskopf ist nicht nur der „Postbop-Spielweise in der Tradition eines John Coltrane und Sonny Rollins, mit Anklängen an das Jan Garbarek/Bobo Stenson Quartett der 70er Jahre“ verpflichtet, wie „The Penguin Guide To Jazz Recordings“ anmerkt, sondern auch ein hervorragender Komponist. Das Programm besteht denn auch fast ausschließlich aus Eigenkompositionen, aus Stücken wie „Spartacus“ und dem exzellenten „Introspection“ mit ihren typischen Bebop-Themen, aus dem tänzerisch-optimistischen „Heads In The Clouds“ und aus den vor Energie nur so strotzenden Openern „The Blues You Played Last Summer“ und „Blues Combination“, die sich zusammen mit der Zugabe „Night Vision“ wie eine Blues-Klammer um das ganze Konzert legen.
Weiskopf nutzt den ihm vorgegeben Rahmen für seine Improvisationen weidlich aus und seine Kollegen tun es ihm nach. Piano, Kontrabass, Schlagzeug, Saxofon – da ist gehörig Betrieb auf der Bühne, da geht es mit Verve zur Sache und es kommen immer wieder gute gezielte Schüsse aus der vermeintlichen zweiten Reihe. Da spielt eine Band mit Wucht und Feuer und in den Soli offenbaren alle immer wieder ganz erstaunliche Qualitäten. Wobei es Anders Mogen-sen, ein toller Drummer an sich mit einer mörderischen rechten Hand, aber fast ein wenig zu gut meint, auf seine Becken und Trommeln losgeht, als gäbe es kein Morgen und damit einige Nuancen einfach lautstärkemäßig zudeckt. Weiskopf weiß sich problemlos durchzusetzen, Piano und Kontrabass aber tun sich da schon schwerer. Beim letzten Konzert Weiskopfs und seiner Band an gleicher Stelle im Januar 2020 war das ganz ähnlich. Erst bei den Balladen stimmte damals die akustische Balance. Wie auch diesmal, weswegen „Blame It On My Youth“ mit Beseneinsatz denn auch zu einem Highlight des Abends wird.
Ansonsten brennt, wie im Programmheft angekündigt, über weite Strecken tatsächlich quasi die Luft, agiert die Band wie ein Kraftwerk und Weiskopf im Kontrollzentrum schiebt die Regler auf „Volle Kraft voraus!“ Und wenn Mogensen über das Ziel hinausschießt, wird das von ihm abgesegnet, ist das so gewollt, wird das akzeptiert, gehört das anscheinend einfach mit dazu. – Obwohl es zwischendurch immer wieder Szenenapplaus für besonders gut gelungene Passagen gibt, steht am Ende nur eine Zugabe. Das kommt überraschend. Aber vielleicht war die ganze Angelegenheit für den ein oder anderen im Birdland-Ge-wölbe dann doch ein Spur zu heftig.