Das Birdland Radio Jazz Festival 2023 ist eröffnet. Und zwar gleich mit einem Paukenschlag und einem Projekt, das man in Europa nur an zehn ausgewählten Orten hören kann, unter anderem an diesem Abend im Audi Forum. Der Bayerische Rundfunk schneidet das Konzert komplett mit und man kann es sich später im Rundfunk nochmals anhören. Weil man es versäumt oder zwar da war, aber nach diesen hervorragenden 130 Minuten vor Ort immer noch nicht genug hat, was absolut nachvollziehbar wäre.
Bernd Reiter, Jazzdrummer aus Graz mit besten Verbindungen in der Szene, hatte bereits die Dameronia’s Legacy All-Stars ins Audi Forum geholt und zu Ehren des großen Tadd Dameron aus dem seinerzeitigen Auftritt 2022 eine CD gemacht. Jetzt gelingt ihm anlässlich des 100. Geburtstages des Trompeters, Arrangeurs und Komponisten Thad Jones wieder eine solch spektakuläre und nicht wiederholbare Aktion mit der Union von Hard- und Bebop-Spezialisten, die die Kompositionen des somit Geehrten in- und auswendig kennen. Er selber steht auf der Bühne mit so illustren Kollegen wie dem Wiener Pianisten Oliver Kent, dem Genueser Kontrabassisten Aldo Zunino und den drei New Yorkern Dick Oatts am Altsaxofon, Joe Magnarelli an Trompete und Flügelhorn und Gary Smulyan am Baritonsaxofon. Ein Zusammenschluss solch großartiger Musiker und Individualisten muss nicht zwangsläufig funktionieren. In diesem Fall tut er es auf beeindruckende Weise, macht den Musikern sichtlich selber Spaß und dem Auditorium sowieso.
Die Jones-Family hatte zehn Kinder, drei von ihnen wurden Weltstars im Jazz. Elvin Jones als Schlagzeuger, Hank Jones als Pianist und Thad Jones als Trompeter und Chef der legendären Thad Jones/Mel Lewis Big Band. Dessen Komposition „Keeping Up With The Joneses“ thematisiert das und ist denn auch ebenso Teil des Abends wie das von Jones arrangierte „Wives And Lovers“ von Burt Bacharach und seine eigenen Klassiker von der wunderschönen Ballade „A Child Is Born“, die einem regelrecht unter die Haut kriecht, über „Quiet Lady“ und seiner Bearbeitung von „April In Paris“ bis hin zu seinem in Kopenhagen, wo sein Spätwerk entstand, geschriebenen „Interloper“.
Einen der Musiker des Abends besonders hervorzuheben, wäre den anderen gegenüber unfair, mit welcher Gier sich freilich Dick Oatts in die Stücke förmlich verbeißt, ist dennoch erwähnenswert. Im Grunde aber ist es das Kollektiv, das hier ganz im Sinne Jones‘ und seiner Vorliebe für große Formate und Big Bands so perfekt, harmonisch und projektdienlich und völlig uneitel zusammenwirkt. Jeder ist großartig, ein Meister seines Faches, alle wissen das und werfen ihre Talente zusammen. Bernd Reiter, gleich nach dem Konzert: „Mit diesen Kollegen macht mir mein Beruf es ganz besonders viel Spaß!“ Ein Statement, das vermutlich alle im Publikum unterschrieben hätten nach diesem in jeder Hinsicht so überaus gelungenen Abend.
Nachzuhören ist das Eröffnungskonzert des 13. Birdland Radio Jazz Festivals am Freitag, 17. November, ab 23.05 Uhr in der Reihe „Jazztime“ auf BR Klassik. Anschließend stehen die Aufnahmen eine Woche lang auf der Mediathek des BR zur Verfügung.