Es gibt Dinge, die macht man immer wieder gerne. Den Lieblingsmenschen treffen, an den Lieblingsort reisen, die Lieblingsspeise essen, die Lieblingsmusik hören. Man wird dieser Tätigkeit nie überdrüssig, sie wird nie zur Routine oder zum Ritual, im Gegenteil, jedes Mal genießt man sie neu, sie wirkt nach, sorgt für lang anhaltendes Wohlbefinden, vielleicht sogar für echte Glücksmomente.
Hier kommt der amerikanische Tenorsaxofonist Scott Hamilton ins Spiel, der seit einigen Jahren jeweils an zwei aufeinander folgenden Abenden die Konzertsaison im Neuburger Birdland Jazzclub eröffnet. Auch heuer wieder sind beide Termine ausverkauft, obwohl viele der Anwesenden Hamilton und seine Musik, seine Stilistik und seinen unvergleichlichen Ton bereits kennen dürften. Und doch lassen sie sich wieder einmal von ihm verzaubern und stimmen sich mit seiner Hilfe ein auf all die Konzerte, die im Laufe der Saison noch stattfinden werden an diesem Ort, in dem es ja durchaus vorkommen kann, dass Töne Gänsehaut hervorrufen. Wenn etwa einer wie Hamilton auf der Bühne steht und mit seinem Saxofon Musik spielt, in der man ruhen, die man genießen kann, die unaufgeregt und dennoch spannend ist. Weil der Mann aus Providence, Rhode Island, der in Florenz lebt, sich – obwohl er sich in den letzten Jahren gar nicht groß verändert hat und das mit nunmehr 71 Jahren wohl auch nicht mehr tun wird – noch lange nicht altersmüde ist.
Tatsächlich hat er am ersten der beiden Konzertabende Geburtstag – „Herzlichen Glückwunsch, Mr. Hamilton!“ – und zu diesem speziellen Anlass ein Programm zusammengestellt, das bestens dafür geeignet ist, dieses Ereignis zu feiern. Nicht mit Getöse, sondern mit Eleganz, mit Stil und mit Herzlichkeit. Über all das verfügt er fürwahr, und an diesem besonderen Abend wird das besonders deutlich. Zusammen mit Bernhard Pichl am Klavier, Ernst Techel am Kontrabass und Michael Keul am Schlagzeug setzt er mit Miles Davis‘ „The Maids Of Cadiz“ und Ahmad Jamal’s „Poinciana“ gleich zu Beginn erste Fixpunkte und lässt in den folgenden zwei Stunden einen Höhepunkt nach dem anderen folgen. Klassiker wie „On The Street Where You Live“ und „Sweet Georgia Brown“ sowie selten gespielte aus seinem riesigen persönlichen Fundus an Adaptionen wie John Coltrane’s „You Say You Care“ oder Jimmy Lunceford’s „By The River Sainte Marie“ ergeben zusammen mit den Balladen eine geradezu hinreißende Mischung. Ach ja, die Balladen. Sie sind das, was dieses wie auch vergangene Birdland-Konzerte so besonders macht. „Pure Imagination“ vor der Pause und „Lil‘ Darlin’“ in der Zugabe – mit mehr Einfühlungsvermögen und mit mehr Hingabe kann man diese Nummern wohl kaum spielen. Hamilton ist eine großer Tenorsaxofonist, als Balladeninterpret aber ist er einzig.
Wäre Hamilton nicht einer, der das subtile Spiel mit all seiner Ästhetik und der ihm innewohnenden Nonchalance unnötiger Lautstärke vorzieht, könnte man sagen, dass die neue Konzertsaison im Birdland mit einem – in übertragenem Sinne – Paukenschlag begonnen hat. Dem im Laufe des bevorstehenden Herbsts auch noch etliche weitere folgen werden. Etwa das 15. Birdland Radio Jazz Festival, die Gastspiele von Jazz-Schwergewichten wie Fred Hersch oder Yuval Cohen oder die wunderbare Lynne Arriale. Anlass zur Vorfreude besteht also reichlich.

