Dieser Scott Hamilton, der mit seinem Quartett wieder die Ehre hatte, die neue Saison im Birdland-Jazzclub zu eröffnen, kann als idealtypischer Beweis dafür gelten, dass Musik jung erhält. Dass Musizieren vielen Aktiven neue Vitalität zuwachsen lässt – auch in einer Phase, in der er vielleicht rein körperlich mit ein paar Problemchen zu kämpfen hat.
Die amerikanische Tenorsax-Legende Hamilton braucht derzeit einen Stock, um auf die kleine Bühne im Birdland-Keller zu kommen, während des Konzerts hat er zwei Hocker parat, weil ihm das lange Stehen zu mühsam wäre. Aber sobald der 70-Jährige die ersten, mit einem unglaublich warmen, weichen und wandlungsfähigen Ton gestalteten Melodien in den Raum stellt, steht da ein agiler Musiker vor dem begeisterten Publikum.
Dieser Mann ist ein wahrer Feingeist auf dem Saxofon, er macht aus jeder noch so scheinbar banalen Phrase eine musikalische Kostbarkeit. Wie er jedem Ton, in der Lautstärke, in der Länge, im An- und Abschwellen und in der Klangfarbe seinen Wert gibt, wie er den drei Mitstreitern am Klavier (Bernhard Pichl), am Bass (Ernst Techel) und am Schlagzeug (Michael Keul) nach eigenen kurzen Soli mit Grandezza den Ball weitergibt, das alles macht diesen Abend im Birdland zu einem großen Vergnügen – einem Vergnügen der feinen, der eher ruhigen und tief nach innen gehenden Freude.
Ganz wilde Tonkaskaden, die das Saxofon in manchen Jazz-Formationen auch einmal in scharfe, schrille und allzu metallisch daherkommende Regionen führen, sind Hamiltons Sache nicht (mehr). Er glänzt an diesem Abend im Birdland vor allem mit Balladen, mit Blues-Elementen und mit einem lockeren, aus der Leichtigkeit des eigenen Empfindens hingeworfenen Swing. Standards von Cole Porter, Dusko Gojkovic und anderen Fixsternen des Jazz-Universums strahlen damit in einem hellen, aber eben weichen und rundum wärmenden Licht.
Das alles ist nur möglich, weil dieses Quartett, das sich „Scott Hamilton & Friends“ nennt, wirklich aus vier Akteuren auf musikalischer Augenhöhe besteht. Wer solche Freunde wie Scott Hamilton um sich hat, der kann feinsinnige Gesamtkunstwerke abliefern. Lange Soli, die aneinander gereiht jeden einzeln groß herauskommen lassen, sind da nicht wichtig. Die eigentliche Qualität dieser Formation „Scott Hamilton & Firends“ liegt im fast kammermusikalischen Zusammenspiel, in der Intensität des Hinhörens auf die anderen, in den kleinen improvisatorischen Freiheiten. Wenn etwa der Pianist einen unerwarteten melodischen Tupfer zu bieten hat, wenn der immer hellwache Bassist sich mit seinen klugen Ideen zu Wort meldet oder der immer mit gemessener Lautstärke agierende Schlagzeuger einen intelligenten Einwurf anbringt – dann bricht aus Hamilton ein „ha, ha!“ oder ein „Hey!“ heraus. Weil er sich einfach freut, was er und natürlich auch das Publikum da geschenkt bekommen.
Diese elegant Art, Jazz-Standards frisch und frech zu verwandeln, besser gesagt zu veredeln, in Stücken wie „I close my eyes“ oder „In the Still of the Night“zu beobachten. Das Publikum im voll besetzten Kellergewölbe war dankbar, dass es nach der langen Sommerpause wieder losgeht. Wer etwas ausgehungert ist, dem würden auch Speisen mittlerer Qualität munden. Bei der Sterneküche von Hamilton und Co. war der Genuss noch ausgesprägter.

